1 allemand-francais Wer war der Graf von Saint-Germain?
2 rakoczy Seine Herkunft, Abstammung und wirkliche Identität blieb bis heute unbekannt. Er verwandelte Blei in Gold und schuf künstliche Diamanten. Zudem schien er nie zu altern, und er behauptete, Jesus und Kleopatra persönlich gekannt zu haben Keineswegs zufällig nannten (und nennen) ihn seine zahlreichen Bewunderer in geheimen Bruderschaften und esoterischen Zirkeln 'Sphinx von Europa', und wenn sie von ihm sprechen, bezeichnen sie ihr Idol respektvoll als 'Meister'.
3 fond diplomatique Mehr als zwei Jahrhunderte sind seit jener Zeit vergangen, in der diese geheimnisvolle Persönlichkeit europaweit in Erscheinung trat. Denn ihr offiziell im Sterberegister der Sankt-Nikolaus-Kirche in Eckernförde verzeichnetes Ableben, am 27. Februar 1784, erfolgte (wie aus diesem Datum unschwer zu ersehen ist) bereits im 18. Jahrhundert. Und doch gibt es (und gab es) im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte nicht wenige Menschen, die glaubhaft behaupteten, dem angeblich Verstorbenen lange nach seinem angeblichen Tod wahrhaftig begegnet zu sein. Für die vielen Verehrer dieses außergewöhnlichen Mannes durchaus verständlich: denn für sie ist es Gewissheit, dass der vielfach als 'Wundermann' und 'Unbegreiflicher' bezeichnete immer noch lebt und schlechthin als unsterblich bezeichnet werden muss. Der so genannte Graf von Saint-Germain.
4 saint-germain Zwar leitete der Betreffende seinen Namen von einem berühmten französischen Adelsgeschlecht ab, und seine Wiege schien an irgendeinem Fürstenhof gestanden zu haben, aber letztendlich dürfte es eher höchst ungewiss sein, dass der Graf von Saint-Germain derjenige war, für den er sich auszugeben beliebte. Zeitlebens war er bestrebt, seine eigentliche familiäre Herkunft, sein tatsächliches Alter sowie den Ort seiner Geburt geheim zu halten. Vielmehr war er, um davon abzulenken, in der Zeit seines Auftretens (in welchen Ländern Europas das auch geschah) bestrebt, seine Umwelt, die Menschen, denen er begegnete, mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zu verblüffen. Sein Sprachtalent schien universell zu sein, und er besaß zudem ein ungemein vielfältiges Wissen. So beherrschte er die Kunst, Blei in Gold zu verwandeln ebenso wie die Fertigkeit, Edelsteine 'aus der Retorte' herzustellen. Hauptsächlich aber war der Graf von Saint-Germain 'im Dienst der Krone', jener Frankreichs (gelegentlich aber auch im Auftrag der Herrschenden in Preußen oder Österreich), unterwegs. Was zur logischen Folge hatte, dass dieser angebliche Aristokrat fast ständig auf Reisen war. Als Agent oder Geheimkurier, Diplomat oder als getarnter Angehöriger verschiedenster Geheimbünde. Saint-Germain, der sowohl den Freimaurern, Rosenkreuzern, Illuminaten, Kabbalisten als auch den Maltesern als tätiges oder beratendes Mitglied angehörte, bewältigte derartige delikate Aufgaben auf seine spezielle Art und Weise: er wechselte hierfür 'je nach Erfordernis' Aussehen, Kleidung und Persönlichkeit. Und selbstverständlich bediente er sich für seine wechselnden Identitäten auch jeder Menge falscher Namen und Titel. Rund achtzig Pseudonyme waren ihm dabei nachzuweisen.
5 melvin In esoterischen, okkultistischen Kreisen sah (und sieht) man in ihm einen 'Wiedergänger'. Eine Person also, der es vorbehalten scheint, das Mittel gefunden zu haben, nie mehr zu altern, und die zudem die Möglichkeit vorfindet, 'durch die Zeit' zu reisen. Das würde bedeuten, dass der Graf von Saint-Germain nach wie vor existiert, uns theoretisch irgendwo und irgendwann einmal begegnen könnte. Tatsächlich gibt es mehrere Hinweise, die auf den geheimnisvollen Graf hinzudeuten scheinen. Wobei der 'Wiedergänger', wie gewohnt, unter verschiedenen, aber auch seinem eigentlichen Namen in Erscheinung trat.
6 graf Drei Beispiele mögen dies untermauern. 'Nennt mich Showman oder Televisionär...' Glückliche Umstände haben uns das Tagebuch eines einfachen Landsknechtes erhalten, das dieser im Jahre 1618 niederschrieb. Darin ist von einem gewissen Montsalveri die Rede, der gegenüber seiner Umwelt ein recht merkwürdiges Verhalten an den Tag legte. Den Tagebuchnotizen des Landsknechtes zufolge, kam jener Montsalveri eines Tages in ein Wirtshaus und erregte dort, aufgrund seiner eigentümlichen Aussagen und seines nicht weniger ungewöhnlichen Auftretens, großes Aufsehen unter den Gästen. Dies solange, bis die Wirtin ihre Neugier einfach nicht mehr bezähmen konnte und von dem Fremden wissen wollte: 'Sind Sie vielleicht ein Zauberkünstler?' Montsalveri musste bei dieser naiven Frage lächeln und gab zur Antwort: 'Nennet es so, Madame, doch werdet Ihr mich nicht auf Messen, Märkten oder dergleichen finden. Ich treibe meine Künste aus freier Profession. Nennet mich Showman, Televisionär oder wie Ihr sonst es möget. Der Name hierfür ist Schall und Rauch...' Wer in unserer, von den elektronischen und Print-Medien durchdrungenen Zeit so antworten würde, dann könnte man ihn sicher verstehen. Aber das Tagebuch jenes Landsknechtes wurde vor rund 380 (!) Jahren geschrieben, und dieser einfache, uns heute unbekannte Mann begegnete den ihm rätselhaft erscheinenden Fremden somit im 17. Jahrhundert! Was veranlasste diesen, sich schon damals der Bezeichnung 'Televisionär' oder 'Showman' zu bedienen?
7 franciszek rakoczy II Aber das war längst nicht alles, was die erstaunten und sicher auch verwirrten Bauern des Jahres 1618 zu hören bekamen. Wusste doch besagter Montsalveri auch noch mancherlei aus dem Jahre 2000 (sic!) zu berichten. Ob ihm das Gesinde glaubte oder sich lediglich amüsieren wollte, bleibt dahingestellt. Einige der Landsknechte wollten jedenfalls mehr von dem eigenartigen Besucher erfahren: 'Erzählen Sie uns doch etwas aus Ihrem Leben', begehrten sie zu wissen und der Angesprochene zierte sich keineswegs, dies zu tun:
8 WANCLIK 'Gerne komme ich euren Wünschen nach, denn in ein paar Jahrtausenden sammelt sich so manches an.' Wir müssen dem gewissenhaften, anonym gebliebenen Tagebuchschreiber noch nachträglich dankbar sein, dass er das von Montsalveri Berichtete tatsächlich zu Papier gebracht hat auch wenn er das Wiedergegebene (wie auch die übrigen Wirtshausgäste inklusive der Wirtin) in seiner Bedeutung nicht zu verstehen vermochte. Wie sollte er auch, wenn er da von seltsamen Wagen erfuhr, die imstande waren, sich ohne von Pferden gezogen zu werden aus eigener Kraft rasend schnell vorwärts zu bewegen? Wie sollte er sich Fahrzeuge vorstellen können, die in beliebige Richtungen fliegen? Völlig absurd musste ihm und den anderen Zuhörern die Behauptung des Fremden erscheinen, in ferner Zukunft würde es sogar Maschinen geben, die selbständige Denkprozesse durchführen könnten. Computer und ähnliches waren damals, verständlicherweise, doch völlig undenkbar...
9 MEMOIRES DU COMTE Doch Montsalveri ließ es mit derartigen Utopien noch längst nicht genug sein. Kaum hatte er seine phantastischen Aufzählungen jener wundersamen Dinge beendet, forderte er die erstaunten Bauern auf, ihm ein bestimmtes Pergament zu unterschreiben. Aber keineswegs mit einem damals gebräuchlichen Federkiel. Vielmehr holte der Unbekannte plötzlich ein kleines, undefinierbar scheinendes Etwas aus seiner Rocktasche und forderte die ratlos Umherstehenden auf, sich dieses unerklärlichen Schreibgerätes zu bedienen: 'Schreibet ruhig damit es stammt aus dem Jahre 2000!' Zögernd, aber nichtsdestotrotz von Neugier beseelt, tat einer nach dem anderen das Gewünschte. Ohne 'das Ding' in ein Tintenfass eintauchen zu müssen, kritzelte jeder der Anwesenden seinen Namen auf den Pergamentbogen. Danach steckte Montsalveri sein Schreibzeug wieder ein und war im nächsten Augenblick spurlos verschwunden! Den verblüfften Bauersleuten kam es vor, als hätte den rätselhaften Besucher ein Erdloch verschluckt. Verzweifelt suchte man nach dem Fremden in allen Räumlichkeiten des Gasthauses. Kein Winkel des Gebäudes wurde vergessen. Aber alle Mühe war vergebens der geheimnisvolle Gast schien sich buchstäblich in Luft aufgelöst zu haben. Worum hatte es sich bei jenem seltsamen Schreibzeug, das der Tagebuchschreiber (mangels geeigneter Bezeichnung) als 'Spänlein' angegeben hatte, gehandelt? Um eine Art (oder Abart) von Utensilien, die uns heute als Kugelschreiber geläufig ist? Und 'Montsalveri'? Hieß der Besucher wirklich so? Oder handelte es sich bei diesem Namen lediglich um eines der vielen Pseudonyme des Grafen von Saint-Germain? War der so genannte 'Wiedergänger' wieder einmal 'durch die Zeit' gereist?
10 UMBERTO ECO Aus einer (uns heute näher gerückten) Zukunft dem Jahre 2000 direkt retour ins 17. Jahrhundert? Welche Manipulationsmöglichkeiten, die Zeit und ihre Epochen betreffend, waren diesem Mann gegeben? Hat er auch in unserem Jahrhundert (dem zwanzigsten) seine Spuren hinterlassen? So unglaublich das auch scheinen mag es könnte tatsächlich so gewesen sein... Ungewöhnliches aus Feldpostbriefen Zeitlebens hat er nicht begriffen, was ihm da widerfahren ist. Wir verdanken es zwei von ihm geschriebenen Feldpostbriefen, dass mysteriöse Geschehnisse aus ihrem Dunkel ins Licht gerückt worden sind. Der oberbayrische Schreinermeister Andreas Rill, von ihm ist hier die Rede, schrieb sie im Jahre 1914 an seine Angehörigen in der Heimat, und er erzählte in den beiden Schreiben vom 24. und 30. August von der Bekanntschaft mit einem Zivilisten, den der Leutnant seiner Kompanie an der Schwarzwälder Vogesenfront festgenommen und an der Flucht gehindert hatte. Der Fremde beherrschte mehrere Sprachen und unterhielt sich mit den Kompanieangehörigen vorzugsweise deutsch und französisch. Doch das war es nicht, was Andreas Rill in Erstaunen versetzte. Was die Soldaten dem Fremden einfach nicht glauben wollten, worüber sie lachten und ihn deshalb als 'spinnad' (phantasierend) bezeichneten: Der unbekannte Zivilist vermöchte offenbar in die Zukunft zu schauen.
11 POMPADOUR Hatten der Schreinermeister Rill und seine Kameraden in jenen Augusttagen fest angenommen, dieser eben begonnene Krieg würde spätestens bis Weihnachten beendet sein, und sah sich unser bayerischer Soldat im Geist bereits wieder mit seinen Lieben im Heimatort Untermühlhausen vereint, so widersprach dem die Behauptung des Fremden, dieser Krieg der Erste Weltkrieg würde noch Jahre dauern und viele Opfer fordern. Der bewusste Feldpostbrief, der die Aussagen des Kriegsgefangenen enthält und nachweislich von dem oberbayerischen Schreinermeister verfasst worden ist, hat jeder Überprüfung standgehalten und gilt als echt. Andreas Rill hat somit sein seltsames Erlebnis dokumentarisch festgehalten und der Nachwelt überliefert. Der Chronist starb 1952 als 71jähriger. Was den Schreinermeister so maßlos verblüffte und in Erstaunen versetzte, waren die zahlreichen Angaben des Fremden, die sich ausschließlich auf zukünftige Ereignisse bezogen. Der Krieg, behauptete der Gefangene, sei für Deutschland verloren, er würde ins fünfte Jahr gehen, dann gäbe es Revolution. Aber auch dadurch würde nichts besser werden. Das Volk wäre allerdings plötzlich reich, und es hätte dann jeder so viel Geld, dass er es zum Fenster hinauswerfen könnte, und niemand würde es aufheben.
12 CAREER In dieser Zeit würde im äußersten Russland der Antichrist geboren werden, aber erst in den fünfziger Jahren in Erscheinung treten. Doch zuvor würde sich ein Mann aus der niederen Stufe in Deutschland bemerkbar machen. Er huldigte der Gleichmacherei, und das Volk hätte nichts mehr zu reden. Seine Befehle würden mit einer Strenge durchgesetzt, dass es den Leuten das Wasser bei allen Fugen heraus triebe. Es würde ihnen mehr genommen als gegeben werden, ohne dass sie es merkten. Jeder Tag brächte neue Gesetze, und viele Menschen erlitten dadurch manches oder stürben gar. Diese Zeit begänne circa 32 (= 1932) und dauere neun Jahre. Aber der nachfolgende Krieg würde für diesen Mann schlecht enden, ebenso für seinen Anhang. Für den biederen Andreas Rill waren diese Voraussagen 'böhmische Dörfer'. Er wusste damals nichts von bevorstehenden Umstürzen, nichts von heraufdämmernden Inflationen, und spätere Diktatoren wie Stalin und Hitler stellten für ihn unbekannte Faktoren dar. Rill nahm die Prophezeiungen des Unbekannten nicht ernst, auch nicht jene, in denen von einem dritten Weltkrieg die Rede war. Er würde 28 oder 58 Tage dauern: 'Ich habe es nicht mehr in Erinnerung', entschuldigte sich der Bayer, als er am 7. August 1947 dem aus seinem Heimatdorf stammenden Pater Balthasar Gehr von den merkwürdigen Äußerungen des Fremden berichtete.
13 DNA Russland würde gegen die Türkei, Deutschland, Polen und Frankreich kämpfen, während England und Amerika 'mit sich selbst beschäftigt' wären. Als wir ihn bedrängten, sagte er nur immer wieder: ,Wenn ihr wüsstet, was ihr vor euch habt, würdet ihr große Augen machen!', verwunderte sich der Schreinermeister auch noch im Rückblick auf das ihm Prophezeite. Wer war jener Seher gewesen? Wer besaß die ungewöhnliche Gabe, in die Zukunft schauen zu können? War der sprachgewandte Zivilist womöglich gar aus der Zukunft gekommen? Als Zeitreisender? Andreas Rill hat uns den Namen dieses Mannes leider nicht überliefert. Wahrscheinlich kannte er ihn gar nicht. Aber einen Namen muss der Fremde zweifellos gehabt haben. Hatte er ihn damals bewusst verschwiegen? Rill registrierte in seinen Feldpostbriefen immerhin die Tatsache, dass der Unbekannte perfekt Deutsch und Französisch sprechen konnte. Sollte es sich hierbei tatsächlich um den Grafen von Saint-Germain gehandelt haben? Gut möglich. So er in der Lage gewesen sein sollte, jederzeit die Barrieren der Zeit zu überwinden. Machte sich der 'Wiedergänger' auch vor nunmehr sechsundzwanzig Jahren, im Januar 1972, bemerkbar?
14 MIROSLAW Auf französischem Boden? Ein Alchimist im Fernsehen? Selbst erfahrene Fachleute schüttelten damals verständnislos die Köpfe, während sie der Darbietung eines jungen Mannes folgten, die dieser vor den TV-Kameras eines Pariser Fernsehstudios in eindrucksvoller Weise zelebrierte. Niemand der Anwesenden und auch keiner der unzähligen TV-Konsumenten vermochte plausibel zu erklären, auf welche Weise der Studiogast sein alchimistisches Experiment abgewickelt hatte. Begonnen hatte es mit der Anfrage eines etwa 25jährigen Franzosen, der sich bei einer Pariser Fernsehstation gemeldet und als Richard Chanfray vorgestellt hatte. Selbstbewusst machte er den überraschten TV-Bossen das Angebot, vor laufender Kamera und unter lediglicher Zuhilfenahme eines gewöhnlichen Campingkochers, Blei in Gold verwandeln zu können. War man dort zunächst skeptisch bis unwillig, dem jungen Möchtegern-Alchimisten kostbare Sendezeit zur Verfügung zu stellen, siegte schließlich die Neugier. Zudem erwartete man sich einen spektakulären Reinfall des Monsieur Chanfray und so stimmten die Herren schließlich zu, dessen unglaubwürdiges Experiment zu gestatten. Was niemand ernsthaft angenommen hatte, trat tatsächlich ein: Ein simpler Campingkocher genügte dem außergewöhnlichen Studiogast voll und ganz, und obwohl man ihm sowohl im Studio selbst als auch vor den Fernsehschirmen scharf auf die Finger sah, vermochte niemand während der Darbietung einen Taschenspielertrick wahrzunehmen. Richard Chanfray verwandelte vor aller Augen Blei in Gold! Danach lieferte er sogar noch eine 'Draufgabe': Mit verschiedenen, von ihm ins Studio mitgebrachten Ingredienzien braute er auf besagtem Miniherd auch noch ein Getränk, das er, nach dessen Fertigstellung, hochtrabend als 'Lebenselixier' bezeichnete.
15 FRANZ ii Damit waren aber der Überraschungen noch nicht alle. Nach vollendetem Experiment stellte sich der junge Mann in Positur und verkündete seinem überraschten Publikum: 'Zwar nenne ich mich mit meinem bürgerlichen Namen Richard Chanfray aber in Wirklichkeit bin ich... der Graf von Saint-Germain!' Der unverfrorene Bluff eines Hochstaplers? Haltlose Publicity eines Angebers, der auf diese Weise ins Showgeschäft einzusteigen hoffte? Oder am Ende vielleicht doch das wahrheitsgemäße Eingeständnis jenes Mannes, dem als 'Wiedergänger' keine Zeitschranken gesetzt zu sein scheinen? Wie auch immer: Seit jenem außerordentlichen 'Gastspiel' in dem Pariser Fernsehstudio an einem Januarabend des Jahres 1972, hat man von dem ominösen Monsieur Chanfray nichts mehr gehört. Er scheint von der Bildfläche verschwunden zu sein. Aus gutem Grund?
16 graf von st germain Niemand vermag das zu sagen nur ein kleiner Nachtrag sei hier noch hinzugefügt: Als man das so genannte Elixier später in einem Labor genauer analysierte, stellte sich seine absolute Verwendbarkeit heraus. Allerdings: Eine Massenproduktion des Getränks wäre aufgrund seiner kostspieligen Beimischungen zu teuer gekommen. Gerüchte und Legenden Zu jenen Besonderheiten, deretwegen der vielseitige und umtriebige 'Wiedergänger' besonders gerühmt und (vornehmlich beim weiblichen Geschlecht) begehrt wurde, gehört zweifellos die Fama, Saint-Germain sei im Beisitz eines einzigartigen Wundermittels, das ihm gleichsam als Jungbrunnen diene, und was beigetragen habe, sein augenblickliches Alter (das damals auf etwa fünfzig Jahre geschätzt wurde) gleichsam zu 'konservieren'. In diesem Zusammenhang ist uns ein historischer Dialog überliefert, den Saint-Germain mit seiner damaligen Gönnerin, der Mätresse des französischen Königs Ludwig XV., Madame de Pompadour, nachweislich geführt hat. dass uns dieses Gespräch in vollem Umfang erhalten blieb, ist dem indiskreten Verhalten jener Frau zu verdanken, die als Erste Hofdame des königlichen Paares fungierte, damals aber nicht davor zurückscheute, dem vertraulichen Gespräch ihrer Herrin mit dem in außerordentlicher Audienz empfangenen adeligen Besucher, hinter einem Paravent verborgen, zu lauschen.
17 sieniawska Und das keineswegs allein: Ihr zur Seite vernahm auch Ludwigs Kriegsminister, Marschall de Belle-Isle, was der Pompadour auf dem Herzen lag. Viele Jahre später brachte dann die bewusste Hofdame, Madame du Hausset, jene Erinnerungen sogar zu Papier und veröffentlichte sämtliche Indiskretionen in ihren 1824 erschienenen Memoiren. Der Pompadour war es bei der Unterhaltung mit dem geheimnisumwitterten Grafen einzig und allein um eines gegangen: Sie wollte sein 'Lebenselixier' erwerben, um sich damit ihre Schönheit und ihren Liebreiz zu erhalten und damit ihre bestimmende Position an der Seite von Ludwig XV. Der Graf von Saint-Germain hatte sehr schnell erkannt, aus welchem Grund er zur Audienz bei der Pompadour gebeten worden war. Ihre Einladung kam ihm (was die Vertraute des Königs aber nicht ahnte) durchaus gelegen. War es dem als 'Wundermann' sowohl in aristokratischen Kreisen als auch bei den gewöhnlichen Bürgern verschrienen Alchimisten doch geglückt, ein rosafarbenes, kristallklares Wässerchen im Labor herzustellen, das er als wirksames 'Lebenselixier' anpries. Mit Hilfe des Getränkes sei es dem Grafen gelungen, sein Alter aufzuhalten und somit sein jugendliches Aussehen zu bewahren.
18 polish campaign Madame de Pompadour empfing Saint-Germain mit charmantem Lächeln, kam aber sehr rasch auf den eigentlichen Grund des vertraulichen Besuchs zu sprechen. Insgeheim nahm sie ihren Gast und dessen wundersame Talente, die man ihm allseits zusprach, nicht sehr ernst. Dennoch war sie bestrebt, dessen 'Lebenselixier' käuflich zu erwerben. Es konnte ja sein... Zunächst aber versuchte sie, das dem Grafen vorauseilende Gerücht ad absurdum zu führen, dieser sei bereits mehrere tausend Jahre am Leben, habe Christus persönlich kennen gelernt und mit der ägyptischen Kleopatra soupiert. Deshalb stellte sie ihrem ungewöhnlichen Gast die Suggestivfrage, um ihn damit in Verlegenheit zu bringen: 'Wie sah Franz I. eigentlich aus? Das war ein König, wie ich ihn hätte lieben können.' Der betreffende Monarch hatte Frankreich zu einer Zeit regiert, in der ihr Besucher schwerlich bereits gelebt haben konnte: König Franz I. regierte Frankreich nämlich im 16. Jahrhundert von 1494 bis 1547. Mehr als zweihundert Jahre waren inzwischen vergangen. Aber Saint-Germain ließ sich nicht erschüttern. Ungerührt entgegnete er: 'O ja, seine Majestät war wirklich sehr liebenswert...', und dann ließ er eine ziemlich genaue Beschreibung der äußeren Erscheinung des Regenten folgen.
19 korycinski Madame de Pompadour war bass erstaunt, schilderte ihr doch der gräfliche Besucher geradezu detailverliebt das Aussehen von Franz I. Angefangen von seinen Gesichtszügen bis hin zu der Figur des Königs. 'Leider hatte er ein zu hitziges Temperament', meinte Saint-Germain dann mit bekümmerter Miene, um bedauernd hinzuzufügen: 'Das machte es mir in der Folge unmöglich, Franz I. vor all dem Unglück, das ihn später ereilte, zu bewahren. Ich hätte ihm gar zu gerne einen trefflichen Rat gegeben aber er hätte ihn wohl nicht befolgt.' Madame de Pompadour war verblüfft. Und wahrscheinlich verstand sie auch die nachfolgende kritische Bemerkung des Grafen, die zu einem Gutteil auch ihrem Liebhaber, König Ludwig XV. zu gelten schien: 'Überhaupt sieht es so aus, als würde insgesamt ein Verhängnis über den Fürsten dieses Landes walten. Denn in besonders kritischen Situationen scheinen ihre Ohren die Ohren des Geistes verschlossen zu sein, taub und ignorant gegenüber selbst den besten Ratschlägen.'
20 rakoczi2 Saint-Germains Unverfrorenheit reizte Ludwigs schöne Mätresse zu Widerspruch. Sie versuchte, ihr Gegenüber systematisch 'festzunageln'. Listig begehrte sie von ihm zu wissen: 'War der Hof von Franz I. eigentlich sehr schön?' Darüber konnte der Graf doch wohl kaum etwas in Erfahrung gebracht haben, war sie sich sicher. Der aber war nicht in Verlegenheit zu bringen. 'Dort war es wirklich sehr schön', entgegnete er und fügte hinzu: 'Allerdings: die Königshöfe seiner Enkel Franz II., Karl IX. sowie Heinrich III. (sie hatten in dieser Reihenfolge im Verlauf des 16. Jahrhunderts regiert) übertrafen an Schönheit den ihres Großvaters bei weitem. Vor allem zur Zeit der Maria Stuart und der Margarete von Valois war der Hof des jeweiligen Monarchen geradezu ein Zauberland sowie ein wahrer Tempel der Genüsse nicht nur der leiblichen, sondern auch der geistigen.' Der Graf von Saint-Germain schien geradezu in Erinnerungen zu schwelgen.
21 profils Auch wenn sie ihn immer noch für einen Hochstapler hielt, musste Madame de Pompadour über so viel Keckheit ihres Gastes lachen. 'Wie es scheint, haben Sie das alles mit eigenen Augen gesehen', versuchte sie Saint-Germain weiter zu provozieren. Dieser hatte natürlich längst erkannt, worauf es seine hohe Gastgeberin angelegt hatte. Scheinbar gleichmütig gab er ihr aber zu verstehen: 'Madame, mein Gedächtnis ist stark und funktioniert immer noch gut...' Dann setzte er mit einem maliziösen Lächeln hinzu: 'Zudem habe ich die französische Geschichte eingehend studiert.' Damit war die Altersfrage, die die Pompadour gerne aufgeklärt hätte, weiterhin unbeantwortet geblieben. Hatte nun ihr gräflicher Besucher das zuvor Wiedergegebene selbst erlebt oder lediglich einen Anschauungsunterricht seiner großen Besessenheit gegeben?
22 gallica Längst war Ludwigs Mätresse klar geworden, dass eigentlich nicht sie, sondern Saint-Germain die Fäden des Gespräches steuerte, was sie zunehmend verärgerte. Wie, um ihre Ratlosigkeit noch zu erhöhen, gab ihr der Graf in provokanter Weise zu verstehen: 'Bisweilen, Madame, erlaube ich mir durchaus den Spaß, die Leute zwar nicht glauben zu machen, jedoch glauben zu lassen, dass ich bereits in den ältesten Zeiten gelebt habe...' 'Und doch weigern Sie sich standhaft, mir Ihr wirkliches Alter zu nennen', schmollte die schöne Frau. 'Andererseits aber geben Sie sich gerne für sehr alt aus. Jedenfalls behauptet das auch die mir bekannte Gräfin von Gergy. Sie war vor gut fünfzig Jahren Botschafterin in Venedig und will Ihnen dort begegnet sein. Damals, so erzählte sie mir kürzlich, hätten Sie genauso ausgesehen wie heute. Wie erklären Sie sich das?' Saint-Germain zögerte keinen Augenblick mit der Antwort. Scheinbar unbeirrt von diesem offensichtlichen Widerspruch meinte er zustimmend: 'Sie haben recht, Madame. Ich habe die Gräfin von Gergy tatsächlich vor langer Zeit in Venedig persönlich kennen gelernt.' Die Pompadour schüttelt verständnislos ihren Kopf: 'Aber dann müssten Sie ja, nach meiner Einschätzung, weit über hundert Jahre alt sein?!' Saint-Germain blieb ungerührt. Schmunzelnd meinte er nur: 'Das scheint mir nicht unmöglich zu sein aber wie ich gerne gestehe, scheint es doch weit wahrscheinlicher, dass die verehrte Dame Unsinniges vermutet und sich geirrt haben könnte.' Madame de Pompadour ließ nicht mehr locker.
23 lubomirska Jetzt war sie bei ihrem eigentlichen Thema. Ungeachtet der ungeklärten Altersfrage hob sie neuerlich an: 'Aber die Gräfin Gergy erzählte mir auch etwas von einem Elixier, das Sie besäßen, und das Sie ihr damals verehrt hätten. Dieses Elixier sei, so gestand sie mir ein, von wunderbarer Wirkung gewesen und hätte sie, nachdem sie es konsumiert hatte, lange Zeit aussehen lassen, als wäre sie nicht älter als vierundzwanzig Jahre...' Das nunmehrige Schweigen ihres Gastes deutete die Pompadour als Bestätigung des Berichtes der Gräfin. Deshalb setzte sie fort: 'Warum verehren Sie nicht auch dem König eine Kostprobe Ihres verjüngenden Elixiers?' Der Graf machte ein bekümmertes Gesicht. 'Ach, Madame', meinte er abwehrend, 'wenn ich mich von Ihnen überreden ließe, dem Regenten Frankreichs eine mir unbekannte Arznei zu überlassen, dann müsste ich ja lebensmüde oder wahnsinnig sein.' Aber Saint-Germains Gastgeberin ließ nun nicht mehr locker, und schließlich gelang es ihr, des Elixiers teilhaftig zu werden.
24 genes Der Graf überreichte ihr ein Kristallfläschchen mit einer köstlich duftenden rosafarbenen Flüssigkeit. 'Zwei Tropfen täglich genügen, teure Marquise', schmeichelte ihr Saint-Germain mit gekonntem Charme. 'So werdet Ihr Eure jugendliche Schönheit beibehalten.' Gierig nach Schätzen Was für Madame de Pompadour das 'Lebenselixier' Saint-Germains gewesen war, bedeutete für ihren königlichen Liebhaber die unstillbare Sehnsucht nach Reichtum und Macht. Ludwig XV. hatte, nachdem der Graf seiner Mätresse die Aufwartung gemacht hatte, auch von dem Gerücht vernommen, der aristokratische Besucher sei als hervorragender Alchimist ebenso imstande, nach Belieben jede Menge von Edelsteinen herzustellen. Das ermunterte Frankreichs Herrscher, diesen (im Volksmund längst als 'Wundermann' hoch gelobten) Alleskönner gleichfalls zur Audienz nach Versailles zu bitten, um sich diese Kunstfertigkeit von dem Betreffenden selbst persönlich bestätigen zu lassen.
25 janik, Saint-Germain wußte von Ludwigs Gier nach Schätzen und gedachte, diese Chance für sich zu nutzen. Als er vor dem König erschien, und dieser ihm, scheinbar großzügig, auf Anhieb eine pompöse Behausung sowie festen Sold für dessen Entgegenkommen in Aussicht stellte, ihm bei der Vermehrung seines Vermögens behilflich zu sein, wies der Graf Ludwigs Ansinnen mit großer Geste zurück: 'Ich brauche weder Schloss noch Sold', beschied er seinem verblüfften Gastgeber 'denn ich bringe alles, was ich für meine Tätigkeit zu Gunsten Eurer Majestät benötige, selber mit: eine Schar Dienstboten und genügend Geld, um mir selbst ein Haus zu mieten.' Bei diesen großsprecherisch klingenden Worten griff Saint-Germain gleichzeitig in seine kunstvoll bestickte Tasche, um daraus im nächsten Augenblick eine Handvoll ungefasster Brillanten hervorzuholen und, wie beiläufig, auf das Ziertischchen in dem luxuriös ausgestatteten Empfangsraum in Versailles zu streuen. 'Hier sind einige Diamanten, die ich mir nunmehr gestatte, Eurer Majestät zum Geschenk zu machen. Ich habe sie eigenhändig hergestellt.' Ludwigs Ehrengast hatte den Charakter seines Audienzgebers richtig eingeschätzt. In den Augen Ludwigs glitzerte die Habgier, und er zögerte keinen Augenblick, Saint-Germains Einstandsgeschenk 'großzügig' anzunehmen.
26 claude louis Der Graf hatte sich damit am Hofe des Königs sowohl bei diesem als auch bei dessen bevorzugter 'Nebenfrau', Madame de Pompadour, mit den richtigen Gaben eingestellt. In der Folge avancierte er zum Ärger dort tätiger anderer hochgestellter Persönlichkeiten, etwa des Außenministers Herzog von Choiseul, der später auch gegen ihn integrierte zum unentbehrlichen Günstling bzw. Geheimkurier der französischen Krone. Saint-Germain war danach fast ständig kreuz und quer in Europa unterwegs und leistete als befähigter Diplomat Ludwig XV. und der Pompadour gute Dienste. Ein ungewöhnlicher Briefwechsel Einer, der im Frankreich des 18. Jahrhunderts ebenfalls hohes Ansehen in den adeligen Kreisen genoss, war der Dichter und Philosoph Frantois Marie Arouet besser bekannt unter seinem Künstlernamen Voltaire.
27 tesla Auch dieser kluge Mann machte bald die persönliche Bekanntschaft des Grafen von Saint-Germain und stand mit diesem in späterer Folge in intensivem Briefwechsel. Leider ist uns aus dieser Korrespondenz nur ein einziges Schreiben nämlich das vermutlich letzte, das Voltaire an seinen gräflichen Freund adressiert hatte erhalten geblieben. Doch dieses allein ist schon wert, näher in Augenschein genommen zu werden. Voltaires Brief stammt vom 6. Juni 1761 und stellt unzweideutig die Reaktion des Dichters auf ein vorausgegangenes Schreiben Saint-Germains dar. Was die Zeilen so brisant macht, die damals an den Grafen gerichtet worden waren, ist der Umstand, dass jener dem mit ihm befreundeten Philosophen gewisse Prophezeiungen offen legte, die eine noch weit in der Zukunft liegende Zeit betrafen, von der der Graf von Saint-Germain eigentlich noch nichts wissen konnte. Es sei denn, er hätte auf irgendeine Weise die Möglichkeit wahrzunehmen gewusst, kommende Ereignisse vorauszusehen. Oder vielleicht sogar aus eigener Ansicht persönlich mitzuerleben! 'Ich beantworte Ihren Brief, Monsieur, den Sie mir im April geschrieben haben, worin Sie schreckliche Geheimnisse offenbaren, einschließlich des schlimmsten aller Geheimnisse, das es für einen alten Mann wie mich geben kann: die Stunde des Todes. Danke, Germain, Ihre lange Reise durch die Zeit wird von meiner Freundschaft für Sie erhellt werden, bis zum Moment, wenn sich Ihre Offenbarungen um die Mitte des 20. Jahrhunderts erfüllen werden.'
28 enigmatic Drei Hinweise lassen uns nun hierbei aufhorchen: Jener auf die offensichtlich prognostizierte Todesstunde Voltaires, von der Saint-Germain anscheinend wusste und sie dem Dichterfreund mitgeteilt hatte. Die Andeutung Voltaires, wonach Saint-Germain eine 'lange Reise durch die Zeit' getätigt zu haben schien, und schließlich des Philosophen Bestätigung gewisser 'Offenbarungen' seines adeligen Briefpartners, die sich angeblich um 'die Mitte des 20. Jahrhunderts' (also etwa in den fünfziger Jahren) erfüllen würden. Worum es sich dabei konkret gehandelt haben dürfte, geht aus den Andeutungen Voltaires leider nicht hervor, doch erwähnt er zum Ende seines Schreibens zwei Errungenschaften, an welche zu seiner Zeit, Mitte des 18. Jahrhunderts, nicht einmal im Traum zu denken war. Heißt es doch in dem bewussten Brief ganz eindeutig: 'Die sprechenden Bilder sind ein Geschenk für die mir noch verbleibende Zeit, darüber hinaus könnte doch Euer wunderbares mechanisches Fluggerät Euch zu mir zurückführen...' Mit 'Adieu, mein Freund' und der Unterschrift des Schreibers: 'Voltaire, Edelmann des Königs', schließt jener sonderbare Brief des französischen Dichterfürsten an den Grafen von Saint-Germain.
29 vencelik Welche Möglichkeiten standen Letzterem zur Verfügung, um derartige, inzwischen tatsächlich eingetretene Entwicklungen im technischen Fortschritt der Menschheit vorhersehen zu können? Besaß der Graf mediale Einblicke in die geheimnisvolle 'Akasha-Chronik'? Jenes rätselhafte Gebilde, das in legendärer Überlieferung aus dem indischen Raum angeblich unseren Planeten unsichtbar umgeben soll und, gleich einem Videoband oder hochentwickelten Computer, in der Lage ist, alle Energie (somit sämtliche Geschehnisse, die es auf dieser Welt jemals gegeben hat und noch geben wird) aufzufangen und bis auf Abruf in sich zu 'speichern' bzw. aufzuzeichnen?
30 wiki Ähnlich bestimmter menschlicher Schicksalsverläufe, wie sie beispiels- weise in Indiens aus alter Zeit stammenden 'Palmblatt-Bibliotheken' wiedergegeben werden, und wo auch die jeweiligen Todesstunden der davon betroffenen Menschen vermerkt sind! War Saint-Germain, so phantastisch es uns heute auch scheinen mag, womöglich ein Zeitreisender? War oder ist er nach Gutdünken imstande, beliebig oft die Jahrhunderte, vielleicht sogar die Jahrtausende zu überbrücken? Bestätigt sich, anhand Voltaires Andeutungen, unser Verdacht, dem Grafen unter Umständen heute noch begegnen zu können? War er jener 'Montsalveri' im 17. Jahrhundert ebenso wie jener unbekannt gebliebene Zivilist an der Vogesenfront Anfang des 20. Jahrhunderts, dem der aus Bayern stammende Schreinermeister Andreas Rill begegnete?
31 marquise d urfé Und müssen wir letztlich auch die Behauptung jenes 25jährigen Franzosen akzeptieren, der zwar unter seinem bürgerlichen Namen Richard Chanfray im Pariser Fernsehen in Erscheinung trat, dort Blei in Gold verwandelte und sich zum krönenden Abschluss seiner alchimistischen Darbietungen als angeblicher Graf von Saint-Germain 'outete'? Was hatte es mit dem (laut Voltaire schriftlich bestätigten) 'mechanischen Fluggerät' des Grafen auf sich, von dem der greise Dichter annahm, dass Saint-Germain damit zu ihm zurückkehren könnte? Und was mit den ihm zum Geschenk gemachten 'sprechenden Bildern'? Worum könnte es sich dabei gehandelt haben? Es war im übrigen nicht die einzige Prophezeiung, die der Graf von Saint-Germain seinem Jahrhundert hinterließ.
32 pompadour 1 Als er gegen Ende des 18. Jahrhunderts (etwa um 1788 ) zum zweiten Mal der österreichisch-ungarischen Monarchie und zwar deren Hauptstadt Wien seine Aufwartung machte (wobei er verschiedene alchimistische Gesinnungsfreunde größtenteils Freimaurer bzw. Rosenkreuzer besuchte), verkündete er ihnen zum Abschied folgende etwas kryptisch klingende Vorhersage: 'Ich scheide. Enthalten Sie sich, mich zu suchen. Einmal werden Sie mich noch sehen. Morgen Nacht reise ich; man bedarf meiner in Constantinopel, dann England, wo ich zwey Erfindungen vorzubereiten habe, die Sie im nächsten Jahrhundert haben werden: Eisenbahnen und Dampfschiffe. In Deutschland wird man deren bedürfen, denn die Jahreszeiten werden allmählich ausbleiben. Zuerst der Frühling, dann der Sommer. Es ist das stufenweise Aufhören der Zeit selber, als die Ankündigung des Unterganges der Welt. Ich sehe alles. Die Astronomen und Meteorologen wissen nichts, glauben Sie mir. Gegen Schluss des Jahrhunderts [gemeint war das 18.] verschwinde ich aus Europa und begebe mich in die Region des Himalaya. Ich muss rasten, mich ausruhen. Aber in einigen Jahrzehnten werde ich wieder von mir hören lassen...' Diese Worte finden sich vollinhaltlich in den so genannten 'Kleinen Wiener Memoiren', die der Okkultist Franz Gräffer im Jahre 1845 veröffentlichte. Lösen sie das Rätsel um den Grafen von Saint-Germain?
33 peintures Der Graf von Saint Germain
34 st germain Der 'Wundermann' Europas
35 23 and me Kennen Sie den Grafen von Saint Germain? Nein?
36 hesse Dann ist Ihnen eine der bedeutendsten Figuren der
37 conde Geschichte entgangen. Vielen gilt er heute noch als
38 immortel eigentlicher Architekt eines Vereinigten Europas,
graf.htm und sein abenteuerliches, sagenumwobenes Leben im
  18. Jahrhundert beschäftigt bis heute die Gemüter
  all jener, die beteuern, er müsse ein 'Meister'
  gewesen sein.
  Gemeinhin sucht einer, der die Weltbühne betritt, um verändernd einzugreifen, auch den Applaus. Den Applaus der Massen, den Applaus der Elite oder den Applaus der Geschichte.
  Durch das 18. Jahrhundert jedoch ritt eine Gestalt, die sich unzähliger Masken bediente, um unerkannt das tun zu können, was Gebot der Zeit war: Das zerstrittene Europa zu einen und unter einem Baldachin des Friedens zu vereinen. Nicht weniger als 30 Pseudonyme gab er sich, und auch der Name, unter dem er Eingeweihten bekannt ist, ist nicht sein richtiger: Comte de Saint Germain.
  Wer war dieser seltsame Mann, der da aus dein Dunkel der Geschichte auftaucht, für Minuten nur und dann wieder verschwindet? Dessen Spuren so flüchtig und doch so vielbedeutend sind, daß er noch heute die Köpfe der Leute verwirrt - wie jenen des Schriftstellers Umberto Eco, der ihn als Rätselgestalt in seinem ,Foucaultschen Pendel" pervertiert? Über den Voltaire am 15. April 1760 in Preußen an den König schrieb: „Man sagt, daß das Geheimnis des Friedens nur von einem gewissen Herrn von Saint Germain gekannt werde, welcher ehemals mit den Vätern des Konzils soupiert habe. Er ist ein Mann, welcher gar nicht stirbt und alles weiß!" - und den der österreichische Graf Philipp Cobenzl am 25. Juni 1763 so beschrieb: „Er ist Dichter, Musiker, Schriftsteller, Arzt, Physiker, Chemiker, Mechaniker und ein gründlicher Kenner der Malerei. Kurz, er hat eine universelle Bildung, wie ich sie noch bei keinem Menschen fand."
  Seine Anhänger- und ihre Zahl wächst heute stetig - nennen ihn den 'Meister von Europa', dessen Bestreben es gewesen war (und immer noch ist), die einst zerstrittenen Völker Europas unter einem Baldachin zu vereinigen. Nun, als Adept, der er war, lag sein Horizont in weiteren Zeitfernen als der unsrig. Waren nicht so zerstörerische Kriege wie jene unseres Jahrhunderts absehbar, wenn zunehmender Nationalismus von den Finanzmagnaten geschürt und schließlich entzündet wurde? Dieser Weltenbrand als Katalysator des neuen, heraufziehenden Wassermann-Zeitalters? Wären damals die Europäer Brüder geworden und hätten sie sich stärker aufs Geistige besonnen - die Kämpfe, die eine neue Schwingung, ein neues Zeitalter immer begleiten, hätten sich bloß auf der Mentalebene abspielen, sich in Disputen ausdrücken können.
  statt ein solch grausames Blutopfer zu fordern.
  Die Idee eines europäischen Staatenbundes war nicht erst seit Saint Germains Auftauchen aktuell. Schon die Tempelritter hatten sie gehegt - und ihr Ansinnen war es gewesen, Europa unter einem König zu vereinigen, der das Blut Jesu in sich trug, der direkt vom Hause David abstammte, und deren Nachfahren noch heute in einigen europäischen Fürstenhäusern, u.a. den Habsburg-Lothringern zu finden sind. Der große französische König Heinrich IV. von Navarra wollte die Großmächte in einem europäischen Völkerbund vereinigen, der 'Allgemeine Christliche Republik' hätte heissen sollen, und dem auch das Riesenreich Rußland angehört hätte. Die Allianz hätte insgesamt 15 Staaten gezählt, und als Institutionen hatte Heinrich IV. ('Henri Quatre', 1553-1610) ein Europa-Parlament und ein Friedensgericht vorgesehen.
Das 18. Jahrhundert, in dem Saint Germain sich bewegte, wurde beherrscht von absolutistischen Königshäusern, die mehr in nationalistischem Denken gefangen waren denn je. Der spanisch-österreichische Erbfolgekrieg war wohl mit dem Frieden von Utrecht beendet, hatte aber kleinere und größere Veränderungen nach sich gezogen. Im Norden Italiens residierte das Herzogshaus Savoyen in Turin. Fünf Jahre waren jene Könige von Neapel-Sizilien, dann nahm man ihnen die Krone wieder und bot ihnen stattdessen Sardinien an. Frankreich wurde vom schwachen Louis XV. regiert, der unwissentlich den Boden für die Französische Revolution bereitete, und der Osten Europas war geprägt von den polnischsächsischen Erbstreitangelegenheiten. Frankreich, England, Großbritannien und Preußen fochten in der Mitte jenes Jahrhunderts den Siebenjährigen Krieg aus, und in Rußland hatte sich Katharina auf den Zarenthron gesetzt. Nun gab es also nicht nur, 'Friedrich den Großen', sondern auch eine, große Zarin. Nicht zu vergessen auch der Vatikan mit seinen 'Kaisern der Kirche'. Alle immer wieder im Streit miteinander, das große Taktieren, Allianzen so brüchig wie tauendes Eis. Bestimmt wäre es leichter gewesen, eine Schar Kampfhunde friedlich zu vereinigen, als diese widerborstigen, machtverliebten, verschlagenen Könige und Kaiser(innen).
Das 18. Jahrhundert war eines des Pomps mit seinem überbordenden Rokoko, aber auch eines, in dem sich wie lange nicht mehr Magie und Philosophie, Politik und Religion vermengten. Das sogenannte Zeitalter der Aufklärung war keineswegs so nüchtern, wie wir es uns vorstellen, und auch längst nicht so skeptisch, wie es vielleicht von Gutem gewesen wäre. Die Zahl okkulter Veröffentlichungen nahm nicht ab, sondern zu. Geheimgesellschaften wucherten, und Magische Heilungen, Alchemie, Wünschelruten, Physiognomik und mystische Sekten wurden zum Tagesgespräch. Die Baronesse von Oberkirch schreibt in ihren Memoiren: „Nie hat es mehr Rosenkreuzer, mehr Adepten, mehr Propheten gegeben; nie ist ihnen mit größerer Leichtgläubigkeit zugehört worden als heute."
Alles war Schauspiel, alles wurde auf der Bühne der Eitelkeiten beklatscht oder verfemt -begreiflich, denn nur adlige Verzückung garantierte in der Regel für weitere Forschungsgelder. Benjamin Franklin führte seine Entdeckungen zur Unterhaltung seiner Gäste während eines 'elektrischen Abends' vor, die Brüder Montgolfier schmückten ihre höchst gefährliche Maschine', den Luftballon, mit den Initialen Ludwigs XV, um die furchtsamen Zuschauer zu beruhigen, und so erstaunt es nicht, daß der Graf von Saint Germain unter anderem deshalb bei der adligen Damenwelt ein gerngesehener Gast war, weil er in seinem Alchemisten-Labor ein Wasser zur Verjüngung entwickelt hatte.
Phantastisch, ja unglaublich sind denn auch die Dinge, die man über ihn herumerzählte. Friedrich der Große selbst nannte ihn den Mann, der nicht sterben konnte; die Gräfin Gergy rief aus, als sie ihn in Versailles sah: „ Vor fünfzig Jahren war ich Gesandtin in Venedig. Ich erinnere mich, Sie dort gesehen zu haben. Sie sahen genau so aus wie heute, wenn auch vielleicht etwas reifer, denn Sie sindjünger geworden!" Der Komponist Rameau (1683-1764) wollte sich erinnern, Saint Germain im Jahre 1701 gesehen und ihn auf um die 50 geschätzt zu haben - etwas älter, als er im Jahre 1743 der Wiederbegegnung wirkte.
Der Graf solle selbst in vertraulichem Ton von einer Unterhaltung mit der Königin von Saba berichtet haben - so als ob es gestern gewesen wäre, oder von den wunderbaren Ereignissen bei der Hochzeit von Kanaan. Er kannte die Klatschereien am Hofe von Babylon, Geschichten, die Jahrtausende zurücklagen und die doch in so seltsamer Weise den Geschichten am französischen Hofe ähnelten, daß er die ganze Versailler Welt damit bestrickte. Es hieß, er könne sich unsichtbar machen und wieder auftreten, wo er wolle, und er selbst hatte einmal dem Freiherrn von Alvensleben bekannt: „Ich halte die Natur in meinen Händen, und wie Gott die Welt geschaffen hat, kann auch ich alles, was ich will, aus dem Nichts hervorzaubern."
Eine der phantastischen Geschichten über den Comte de Saint Germain erzählt, wie ein Skeptiker den Diener Roger des Grafen angesprochen habe: „Dein Herr ist ein Lügner", und Roger treuherzig antwortete: „Ich weiß das besser als Sie: Er erzählt jedermann, daß er viertausend Jahre alt ist. Aber ich bin erst hundert Jahre in seinen Diensten, und als ich zu ihm kam, sagte mir der Graf, daß er dreitausend Jahre alt sei. Ob er irrtümlich neunhundert Jahre hinzugefügt hat oder ob er lügt, kann ich nicht sagen."
Daß jener Mann, der als 'Algarotti', 'Welldone', 'Gua de Malva' oder 'Solar' von Fürsten- zu Königshöfen reiste über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügte, bezweifelt keiner seiner Zeitgenossen. So war verbürgt, daß er einer der hervorragendsten Alchemisten der Geschichte war, daß er Gold herstellen, Diamanten veredeln konnte und auch das Lebenselixier gefunden habe.
Auch seine Eßgewohnheiten waren für die Menschen des 18. Jahrhunderts schwer verdaulich. Der sächsische Gesandte Kauderbach schrieb am 14. März 1760 an den Dresdener Minister Wackerbarth: „Saint Germain sieht aus wie ein kräftiger Fünfundvierziger (ist er 1696 geboren, wäre er da schon 64 Jahre alt gewesen, die Red.), aber er selbst gibt zu verstehen, daß er kein Fleisch ißt, nur etwas Hühnerfleisch, Fisch und Gemüse. Wenn es mir gelingt, ihm sein Geheimnis, lange zu leben, zu entlocken, so werde ich es dem König (August III. von Polen Kurfürst von Sachsen) nicht verschweigen. Saint Germain kennt die schönsten Geheimnisse der Natur und weiß Ungläubige zu bekehren oder zu überzeugen." Schwer verständlich auch vieles sonst an seinem Wesen: „Um Reichtum und irdische Größe kümmert er sich nicht, es genügt ihm, wenn er den Titel,Bürger des Staates' beanspruchen darf. Auch besprach er das Schicksal Frankreichs. Der Ursprung des Übelstandes ist die Schwachheit des Fürsten und die Uneinigkeit am Hofe: vom König bis zur Hanswursterei. Es geschieht also bisweilen, daß er unvorsichtig in seinen Ausdrücken ist. Die Holländer sind gut, aber zu schwerfällig, als daß sie seine Manieren verstünden. Es steht fest, daß in diesem Augenblick wichtige Unterhandlungen geführt werden."
Was indes die phantastischen Geschichten anging - zum Beispiel auch, als er über die heilige Familie berichtete, als ob er selbst zugegen gewesen wäre - nun, das sprengte das Erklärungsvermögen seiner Zeitgenossen.
Daß er tatsächlich 4000 Jahre ohne Unterbruch gelebt hat, darf zu Recht bezweifelt werden. Doch wie sieht die Sache aus, wenn man den Tod als das erkennt, was er ist - als bloßes Hinüberwechseln auf andere Seinsebenen? Wenn man um die Tatsache der Reinkarnation weiß, dann ist nicht mehr verwunderlich, aus welchen Zeiten er berichten konnte: Einem Adepten wären bestimmt seine früheren Verkörperungen wie ein offenes Buch vor sich gelegen; einem weit fortgeschrittenen Adepten, einem, vielleicht, der sich sogar 'Meister' nennen durfte, wäre es auch ein leichtes gewesen, in der Akasha-Chronik (der Aufzeichnungen aller Geschehnisse auf Erden) zu lesen.
War er ein Meister? In seinem ganzen Leben läßt sich nichts entdecken, was einen Schatten auf sein Wesen werfen könnte. Er galt als lebhaft, dabei stets freundlich und diplomatisch, und er besaß ein Universalwissen und -können, verbunden mit einem wohltemperierten, reinen Charakter, der ihn zum idealen Menschenbild fürs kommende Zeitalter machen könnte. „In jeder Lebenslage beherrscht er sein Ich", schreibt Irene Tetzlaff im Buch ,Unter den Flügeln des Phönix'. Er sprach Griechisch, Lateinisch, Sanskrit, Arabisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch. Er war ein begabter Maler, ein Virtuose auf Cembalo und Geige, gab in London öffentliche Konzerte, schrieb unter dem Pseudonym ,Giovanni' eine Oper (,L'inconstanzadelusa'), Lieder, Arien und Soli für Geigen. Daß er dabei keineswegs ein Dilettant war, läßt sich an der Aussage ablesen, die Max Graf von Lamberg (1729-92) in 'Le Memorial d'un Mondain' machte: „Der Mann besitzt tausend Talente; er spielt z.B. vorzüglich Geige und die Zuhörer glauben, fünf Instrumente zugleich zu hören; als Italiener Giovanni, Zeitgenosse von Graun, Telemann und Bach, komponierte er Lieder, sang sie und akkompagnierte sich selbst." (Berlin 1740).
Biblische Ereignisse rief er vor Anhängern mystischer Zirkel gegenwartsnah zurück, und auch seine Geschichts- und Geographie-Kenntnisse waren universal. Sein chemisches Wissen überragte das aller Zeitgenossen. Seine Herkunft allerdings lag im Dunkeln, und bis heute ist es niemandem gelungen, diese schlüssig zu erhellen.
Eine Hypothese besagt, er sei der erstgeborene Sohn des ungarischen Fürsten Franz II. Rakoczy gewesen und am 28. Mai 1696 in Klausenburg (Cluj) in Siebenbürgen geboren. Seine Mutter war Charlotte Amalie, Tochter des Landgrafen Karl von Hessen-Rheinfels-St.Goar-Wanfried. Im Alter von vier Jahren und drei Monaten ,starb' Leopold Georg, so sein Name. Allerdings bloß offiziell, da sonst sein Leben wirklich gefährdet gewesen wäre. Sein Vater war der Anführer der ungarischen Freiheitsbewegung gegen den Thron der Habsburger in Wien. Freunde seines Vaters rieten ihm, den Erstgeborenen außer Gefechtsweite zu bringen, und so soll der kleine Leopold in Florenz bei Giangastone dei Medici, dem letzten des großen Geschlechts, einem mütterlichen Anverwandten, Unterschlupf gefunden haben. Das Kind, da namenlos, erst einfach ,Bambino' (Knabe) genannt, entwickelte sich zur Freude aller, entpuppte sich als außergewöhnlich begabt und sog alles Wissen auf, dessen es habhaft werden konnte.
Als die Zeit der Firmung kam, soll der Medici den Jungen gefragt haben, welchen Namen er denn tragen wolle.,Germanus' solle die schnelle Antwort gelautet haben, nach dem Städtchen San Germano am Fuße des Monte Cassino, einer alten Benediktiner-Abtei, die Bambino oft mit seinem väterlichen Freund aufgesucht hatte. Dann habe er sich korrigiert - ,San Germano' solle sein Name sein. In dem Namen liege Geschichtsbedeutung, habe ,Bambino' geäußert. Der Medici riet ihm zur französischen Form: Saint Germain -'Heiliger Germane'.
Später, erzählt diese Geschichte des jungen Saint Germain, habe er kurze Zeit in Siena studiert, wo es ihm aber bald zu eng geworderen sei -besonders, als er von einem sienesischen Goldschmied in die hermetische Kunst der Alchemie eingeweiht worden war. In Piombino stieg er auf ein Schiff, das ihn nach Mittelamerika brachte, arbeitete in Mexiko auf Plantagen, kam zurück nach Lissabon, fand dort - oh Wunder! - ein ansehnliches Vermögen vor, das auf seinen Namen deponiert worden war und einen Brief seines längst aus Siebenbürgen vertriebenen, einsamen Vaters, der im türkischen Rodosto ein Exil gefunden hatte. Auf der Schiffsreise dorthin machte er die Bekanntschaft eines Gelehrten, von dem er viel später sagen sollte: „Ich hatte das Glück, auf meinem Wege einem weisen Manne zu begegnen, welcher mich die Natur und Gottes verborgene Geheimnisse kennen lehrte. (...) Ein natürlicher Drang zu Weltweisheit, Theologie und Naturgesetzen erwachte in meinem Innern."
Mehr noch erfuhr er von jenem geheimnisvollen Manne: Von Orden und Sekten, die geheim wirkten, von verschwiegenen Zirkeln der Alchemisten und Rosenkreuzer, die damals gerade im Nahen Osten sehr aktiv waren.
Sein Vater schickte ihn mit einer persönlichen Botschaft zum Sultan des Osmanischen Reichs. Saint Germain fand wärmste Aufnahme, fühlte sich gleich wohl im höfischen Milieu, in dem er Zeit seines Lebens verkehren sollte. Der Orient bot ihm noch weit mehr: Einblicke in die Kunst des Färbens, der Heilkraft orientalischer Pflanzen, der Formeln mittelalterlicher Alchemisten und der heimtückischen Gifte Asiens. Auf dem Gebiet der Farben und der Methoden des Färbens von Seide, Baumwolle, Wolle und Leder entwickelte der Chemiker Saint Germain später viele Verbesserungen und Neuerungen, die jenem Wirtschaftszweig zugute kommen sollten. Hier nahm er auch die Spur auf, die ihn schließlich sein 'Jungborn'-Wasser, das 'Aqua benedetta', ein Schönheitswässerchen für verlängerte Jugend, herstellen ließ, welches besonders unter den Damen Frankreichs sehr begehrt war.
So also die (re-?)konstruierte Jugendgeschichte des Grafen von Saint Germain, wie seriöse Forscher sie vorgefunden haben wollen. Allein, ob sie wirklich so verlaufen ist, kann niemand sagen, und auch hier gibt es Gegenstimmen - zum Beispiel den erwähnten Rameau, der behauptete, 1701 einen etwa 50jährigen Saint Germain getroffen zu haben. Wohl möglich, daß er einem Irrtum unterlag. Andere 'Eingeweihte' bringen vor, Saint Germain sei in seinem Vorleben der englische Lordkanzler und Philosoph Sir Francis Bacon gewesen. Dieser sei - anders als die offizielle Historie vermerkte - niemals wirklich gestorben, sondern nach Indien gegangen und habe sich dort die Meisterschaft erworben, um dann später als jener Reisende in Friedenssachen zurückzukommen, den wir als Saint Germain zu kennen glauben. Dies würde erklären, warum er immer gleich jung aussah, und warum er sagen konnte, er könne alle Dinge aus dem Nichts erschaffen - Meisterschaft bedeutet eben auch die Be-Meisterung aller Energien, also auch der Materie. Einem Meister bereitet es keine Mühe, zu präzipitieren und zu materialisieren, da ja alle Materie bloß verdichtete Geistesenergie ist.
Wie auch immer, für die Aufgabe, die ihm bevorstand, und die er - zu unser aller Leidwesen -nicht vollenden konnte, wie es dem göttlichen Willen entsprochen hätte, brauchte es beinahe übermenschliche Qualitäten. In einer Zeit, wo die Durchschnittsmenschen kaum reisten, also der Bewohner des angrenzenden Fürstentums schon ein Fremdling war, wo jeder kleine Fleck seine eigenen Gesetze, sein eigenes Münzwesen hatte, wo die Menschen sich nicht nur geographisch, sondern auch standesmäßig sehr als un-eins empfanden, hatte er sich vorgenommen, den Gedanken der Einheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit unter dem Banner wirklicher Freiheit zu verbreiten.
„Libeite, Egalite, Fraternite" - Begriffe, denen auch Saint Germain sich verschrieben hatte. Daß sie dann aufs Banner einer blutigen Revolution geschrieben wurden, die alles, was Frankreich groß gemacht hatte, in den Abgrund riß - einer Revolution zudem, die Saint Germain zu verhindern versucht hatte - das gehört zur Tragik des angehörten Weisen von Europa.
Von außen betrachtet war Saint Germain einfach ein raffinierter, wenn nicht gar schlauer Edelmann, vornehm, stets teuer gekleidet, offenbar unerschöpflich reich, der an diesem oder jenem Hofe auftauchte, musizierte, Konversation machte, die Damen mit neuesten wunderbaren Stoffen entzückte und mit Kosmetika, mit Fürsten Gespräche hinter verschlossenen Türen führte, um dann wieder aufzubrechen an einen anderen Hof. Näher in den Fokus genommen, fiel immerhin auf, daß er sich vieler Tarnnamen bedienen mußte, verfolgt wurde von fürstlichen und königlichen Agenten, seine Tage gern in alchemischen Labors verbrachte und sich jeder Anbindung an ein Land im Hauptquartier des Königs von Preußen ein Geheimagent, der sich wohl 'Baron de La Marche Couronne' nannte, der aber unverkennbar Saint Germain war. Friedrich II. gewährte ihm ohne Zögern Audienz. Nach der Unterredung soll der König sehr nachdenklich gewesen sein. Zehn Tage später schrieb er einen vertraulichen Brief an Georg II. von England, den Bundesgenossen Preußens, in welchem er seine Bereitschaft zur Eröffnung eines Friedenskongresses in Holland ausdrückte. Frankreich, England, Preußen und Österreich bekämpften sich im Siebenjährigen Krieg (1756-1763), und Saint Germain reiste in Sachen Frieden von Hof zu Hof. Am 17. Februar 1760 schreibt Friedrich II. von Preußen an Solar (einer der Namen von Saint Germain, unter dem er auch als Gesandter des Königs von Sardinien auftrat): „Ihrehrwürdiger Charakter ist mir sympathisch. Sie sind der geeignete Mann, meine Worte dem König von Frankreich zu sagen, daß Frankreich seinen Frieden mache mit Preußen und England."
Der König von Frankreich, Ludwig XV, steckte derweil in argen innenpolitischen Schwierigkeiten. Unglückliche Finanzoperationen hatten die Kassen gelehrt, und der Unwille der Volkes wurde stetig größer. Ein Staatskredit mußte her, und beschaffen sollte ihn der Graf von Saint Germain. Da die Verschuldung aber immens war, war abzusehen, daß die Darlehensgeber Sicherheiten forderten. Saint Germain sollte bitte seine alchemistischen Kenntnisse in die Tat umsetzen und wundervolle, kostbare künstliche Diamanten herstellen. Das Ansinnen des Königs bereitete Saint Germain schlaflose Nächte. Doch schließlich mußte er dem Souverän Gehorsam leisten. So reiste denn Anfang" des Jahres 1760 Saint Germain nach Holland - erstens, um 30 Millionen für Louis XV. zu beschaffen, zweitens, um Friedensanbahnungen in den Botschaften Den Haags zu treffen. Diesen Auftrag hatte er geheim vom Kriegsminister Marschall Belle-Isle erhalten. Im Haag bespricht sich Saint Germain mit den Gesandten Englands und Preußens. Die Amsterdamer Kaufherren und Bankiers zeigten sich bereit, Frankreich vor dem Staatsbankrott zu retten. Dann bekommt der Duc de Choiseul Wind von den Aktivitäten des Grafen. Ihm, dem habsburgfreundlichen französischen Minister für Auswärtiges, hatte man bewußt Saint Germains politische Mission in Holland unterschlagen. Er gab Befehl, Saint Germain zu verhaften und an Frankreich auszuliefern. Und Louis XV., König ohne Rückgrat, setzte sich mit keinem Wort für seinen Retter, der ihn nicht nur aus Finanznöten befreite, sondern ihm zweimal nach Giftanschlägen das Leben gerettet hatte, ein. Nach einigem diplomatischem Wirbel wurde Saint Germain tatsächlich verhaftet, auf eigene Protestation hin jedoch wieder aus der Haft entlassen. Er hatte sich wirklich nichts vorzuwerfen. Da Choiseul aber neuerlich auf ihn angesetzt hatte, empfahl es sich, sehr dringlich nach England zu reisen. Das politische Ränkespiel erreichte ihn schließlich auch auf der britischen Insel - und der englische Staatssekretär William Pitt Lord Chatham (1708-78) ließ ihn erneut arrestieren. Als sich indes hohe Persönlichkeiten Englands und anderer Nationen um seine Freilassung bemühten, wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt. Mitte Mai 1760 traf er in Rotterdam ein und erzählte dort, daß er während seiner Gefangenschaft von Mitgliedern des ,Geheimen Rats' konsultiert worden sei. Die Erfahrungen hätten ihn gelehrt, daß der Friede unter den europäischen Völkern niemals über eine Verständigung der Fürsten erhofft werden könne. Eine Zukunftshoffnung läge allein im einheitlichen Streben der Ritterorden und Logen. Doch bei ihnen müsse auch erst das Dach gebaut sein, unter dem der 'Tempel für die Menschheit' wirksam werden könne.
Das weist daraufhin, daß das eigentliche Wesen, die eigentliche Arbeit des Grafen im Hintergrund wirkte. Wie er erfahren hatte, war es auf dem blankpolierten Parkett der Höfe schwierig, eine geistig beseelte Politik durchzusetzen - zu sehr war da der Souverän auf dem Präsentierteller, zu sehr Opfer der eigenen Eitelkeit, zu sehr Gefangener diverser Verpflichtungen und Abhängigkeiten. Wo aber ließ sich am besten eine geistig beseelte Politik zum Wohle aller vermitteln? In der Verschwiegenheit der Logen, wo andere Gesetze, andere Hierarchien, andere Abhängigkeiten bestanden als in der Welt da draußen. Der wichtigste Teil der Mission Saint Germains vollzog sich also höchstwahrscheinlich in den vielen Orden und Logen, die gerade im 18. Jahrhundert eine Blütezeit erlebten: Die Malteser-Ritter, die Rosenkreuzer, die Freimaurer, die Tempelritter. Und gerade da ist es ungeheuer schwer, abzuschätzen, was vor sich ging. Daß er unter dem Namen Bailli de Solar einen wichtigen Vertrauensposten bei den römischen Malteser-Rittern einnahm, ist verbürgt. Auch, daß er immer wieder Kontakte zum Orden der Rosenkreuzer, zu den Templern und Freimaurern hatte - obwohl da mehrere Forscher sagen, er sei inspirierend tätig, nicht aber ein Mitglied dieser Orden gewesen. Der mit Saint Germain bekannte Kammerherr Bischoffwerder äußerte: „Er ist keiner der Unseren" - und auf genaueres Nachfragen: „Er ist kein Maurer, er ist auch kein Magus, auch kein Theosoph." Talleyrand wiederum schreibt in seinen Memoiren, er habe für den naturwissenschaftlichen freimaurerischen Orden ,Societät Rosecroix' gewirkt. 1740 schon hatte er in den Pariser Logen den geheimen Tempelgrad eingeführt. Sein Bestreben lag in der Zusammenfügung der äus-seren Formen und inneren Vereinigung der Freimaurer-, Tempelritter- und Rosenkreuzer-Ideale, der Riten und Bräuche. Einen ,Tempel der Menschheit' wollte er errichten, in dem Religionsfreiheit Voraussetzung war - oder, wie Friedrich II. es in seinem berühmten Ausspruch gesagt hatte: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden können. Wie geschickt der Graf von S aint Germain gewesen sein mußte, zeigt die Vollmacht, die er - dieser frei denkende und dabei doch gottergebene Geist-l 775 vom Heiligen Stuhl in Rom bekommen hatte. Darin hieß es, „Wir, Prior, Kanzler und Raden unseres Heiligen Stuhles, ermächtigen unseren Abgeordneten in den Provinzen von Deutschland, Dänemark, Schweden und Polen, unseren treuen Bruder des Heiligen Dienstes, den liebenswürdigen Theophilus, Ritter des siegreichen Schwanes, um unsere wahre und sehr alte Religion wiederherzustellen und zu verbinden mit den Logen der Freimaurer, um das Glück der Menschen zu fördern...". Hatte die versöhnliche Natur des Grafen den Kardinalen, die den im Jahre 1775 verwaisten Heiligen Stuhl umstanden, eine Alternative zur üblichen Exkommunikation der Maurer gewiesen? Hofften sie, ihn lediglich als Agenten benutzen zu können, als Spitzel, um noch besser die Tempel der Maurer auszumisten?
Oder wußten sie mehr über die Vergangenheit des Grafen? Wie Baron Gleichen in seinen 'Souvenirs' erzählt, kursierten damals in Paris Geschichten über einen 'LordGower' (mit dem unverhohlen die Figur Saint Germains gemeint war), der im historischen 'Marais du Temple' eine biblische Figur gewesen sein soll, ein Mann, der zur Zeit Jesu im Heiligen Lande gelebt, und der Jesus Christus, Maria, Elisabeth und Anna gekannt haben wollte. Diese Geschichten wurden in den Pariser Salons mit Faszination und ungläubigem Zweifel aufgenommen.
„Das Glück der Menschen zu fördern..." -welch wohlfeiler Wunsch in jenen schicksalsschweren Jahren des 18. Jahrhunderts, in denen auch der Widergeist sich organisierte und wie tückisches Gift in die geheimen Bruderschaften sickerte und sie zu Werkzeugen der dunklen Mächte machte. Sollte ihm Einhalt geboten werden, mußte die Vereinigung Europas alle Bereiche umfassen: Auch die geteilte Kirche. Sie wieder zusammenzuführen, war schon eines der Postulate von Gottfried Wilhelm Leibniz gewesen, dem großen Leipziger Denker (1646-1716) und wohl hervorragendsten Rosenkreuzer seines Jahrhunderts.
1777 arbeitete Saint Germain für den Vorkongreß der Präfekturen des Rosenkreuzer-Ordens in Leipzig, der Mitte Oktober stattfinden sollte. Um 1779/80 ersuchte ihn Prinz Ferdinand von Braunschweig, der Freimaurer-Loge eine Neuregelung ihrer Gesetze und Geheimhaltung zu erarbeiten. 1782 wurde auf dem Kongreß zu Wilhelmsbad die Verschmelzung des Templer-Ordens mit den Logen vollzogen. Saint Germain unterzeichnete sie als 'ChefdeBien'.
Saint Germains Reformpläne, die er in die Logen einfließen ließ, umfaßten alle Bereiche: Fürstenerziehung, Menschenerziehung, Staatskunst, Diplomatie, Naturlehre, Technik und Wissenschaft. „In seiner Hellsichtigkeit glaubte er der jungen Generation zu dienen, indem er sie mit alter Weisheit und neuen Ideen beschenkte", analysiert Autorin Tetzlaff. Im Grunde arbeitete er daran, dem kommenden ,Goldenen Zeitalter' den Boden zu bereiten. Ellen Reinhard! im Buch „Leben des Grafen Saint Germain": „... Dürften wir nun zum Abschluß diesen großen Adepten mit den Augen Leadbeaters betrachten, so erkennen wir ihn als den ,Europäischen Meister', der 2000 Jahre hindurch an der Entwicklung des geistigen Lebens Europas gearbeitet hat und als kulturelles Genie, das Wissenschaft, Kunst, Politik und religiöses Fühlen miteinander vereinigt."
Am 27. Februar 1784, am Vorabend der französischen Revolution, die in einen friedlichen Prozeß münden zu lassen, eine seiner- vergeblichen - Bemühungen gewesen war, stirbt Saint Germain im idyllischen norddeutschen Städtchen Eckernförde.
Starb er aber wirklich? Als sein Schüler, der Landgraf Carl von Hessen, 1836 zu Grabe getragen wird (52 Jahre nach dem Tode von Saint Germain), wollen ihn mehrere Anwesende im Trauerzug gesehen haben, in einer seltsamen Tracht. Die Fischer von Holm, die, wie es schien, besonders hellseherisch veranlagt waren, behaupteten, der,Wundermann Europas' lebe noch.
Marie Antoinette soll von ihm nach der Stürmung der Bastille einen Brief erhalten haben, in dem er ihr riet, den Vorwand der Aufständischen zu zerstören, indem sie sich von den Personen trenne, die sie nicht mehr liebe. „Lassen Sie Po-lignac und Konsorten fallen. Diese sind alle dem Tode geweiht und schon für die Mörder bestimmt, die eben die Beamten der Bastille getötet haben...". Zur selben Stunde erhielt Madame Adhemar, Marie Antoinettes Vertraute, ein Schreiben: „Alles ist verloren. Sie sind Zeuge,
daß ich alles getan habe, um den Ereignissen eine andere Richtung zu geben. Man hat mich abgewiesen. Zu spät. Ich wollte das von jenem Dämon Cagliostro vorbereitete Werk mir genauer betrachten. Es ist teuflisch... Ich verspreche, Sie zu treffen; aber fordern sie nichts. Ich kann weder dem König noch der Königin noch der königlichen Familie helfen...". Auch dieser Brief habe von Saint Germain gestammt. Wirklich? Während der Revolution sei er da und dort in Paris erschienen, öfter auch auf der Place de la Greve, wo die Hinrichtungen stattfanden.
Der ,Wundermann Europas' lebt weiter in den Köpfen und Herzen jener, die seine Ideale teilen und dafür leben. Manchmal drücken sie ihre Liebe zu ihm so schwärmerisch aus wie W. R. Drake in den „Kosmobiosophischen Schriften" 1963: „Wir können nur hoffen, daß Graf Saint Germain unter irgend einem berühmten Namen jetzt hier unter uns wirkt und das Schicksal unserer Erde lenkt. Wenn das der Fall sein sollte, wäre unsere durch Kampfund Streit zerrissene Welt nicht verloren, denn durch seine geheime Weisheit wird die Menschheit sich zu neuem Glanz hinauf entwickeln."
Wir können sicher sein, daß er nicht nur in Köpfen und Herzen lebt, und daß er weiter baut an dem großen Plan eines Daches, das die ganze Menschheit in Glück und Frieden unter sich vereint.
Quellen:
Irene Tetzlaff: „Unter den Flügeln des Phönix", J. Ch. Mellinger Verlag
Irene Tetzlaff: „Der Graf von Saint Germain - Licht in der Finsternis", Mellinger Verlag
Kurt Seligmann: „Das Weltreich der Magie", Deutsche Verlags-Anstalt.
"Den wachsamen Blick auf die Natur gerichtet,
erkannte ich Wesen und Ende der Einheit.
Ich sah im Erze das goldene Licht,
ich erfasste den Stoff und entdeckte den Keim".
(Saint-Germain)
Manche Dinge mag man schon deshalb nicht anfassen, weil sie durch so viele Hände gegangen sind; andere, weil die Hände sie so zerknüllt und bekleckert haben. So ist es mit dem Thema "Der Graf von Saint-Germain", ist er doch nicht nur unter die Theosophen, sondern auch unter ihre spekulativen Nachfolger, die New Age- Anhänger, gefallen. Heute findet man im Internet "gechannelte" Briefe von Saint-Germain, in denen er in Trance oder Hypnose befindlichen Jüngern des Wassermannzeitalters angeblich dermaßen grobe und platte Friedensbotschaften zukommen lässt, dass die Allgemeinplätze auch des geistlosesten Politikers unserer Tage dadurch übertroffen werden.
Auch Peter Krassa, Autor des neuesten Buchs über Saint-Germain, katapultiert sich mit seinen belanglosen Spekulationen über einen angeblichen "Zeitreisenden" zunächst aus dem Kreis derer, denen man einen Hauch seriöser Recherche zutrauen möchte. Offensichtlich biedert sich Peter Krassa damit eben bei den New-Age-Jüngern, Erich-von-Däniken-Anhängern, Ufologen und selbsternannten Okkultisten an und versucht mit dem Thema Kasse zu machen.
Dennoch entsteht zwischen den Spekulationen, den Missverständnissen und dem "esoterischen" Gestammel Peter Krassas etwas wie eine Spur des Grafen; an manchen Stellen tritt er aus dem Dickicht hervor und wird in seinen Intentionen, seinem Humor und in seiner Größe plastisch. Und an manchen Stellen bringt Krassa neues Material, das wichtig, ja unersetzlich zum Verständnis wird. Für die Mystifikationen des Grafen kann Krassa nichts; dazu hat der Graf schließlich schon selbst, wenn auch oft ironisch, beigetragen. Man kennt ja bis heute seinen Namen nicht mit Sicherheit; lediglich eine ganze Reihe von angenommenen, oft sinnbildlichen Namen und eine Reihe von Doppelgängern, die zum Teil bewusst eingesetzt worden sind, um Saint-Germain zu kompromittieren. Im folgenden möchte ich versuchen, durch das spekulative Dickicht eine halbwegs gangbare Schneise zu schlagen, um den Intentionen des Grafen von Saint-Germain und seinen geistigen Hintergründen ein Stück näher zu kommen.
Vorläufiger Versuch eines Lebensentwurfs
"Man sagt, dass das Geheimnis des Friedens nur von einem gewissen
Herrn von Saint-Germain gekannt werde" (Voltaire)
Saint-Germain wurde – wahrscheinlich - 1698 als ältester Sohn des ungarischen Fürsten Franz N. Rakoczy als Leopold Georg Rakoczy in Siebenbürgen geboren. Mit 33 Jahren erschien er am Hofe Ludwigs XV, wo er diesen und dessen Mätresse Madame Pompadour mit alchemistischen und chemischen Kenntnissen, vor allem aber mit der Herstellung synthetischer beeindruckte und bald zu einem unersetzlichen politischen Ratgeber und Diplomaten wurde. Er beteiligte sich angeblich an der Planung des Suez-Kanals und war Abgesandter des Königs bei Freimaurerkongressen.
Er war zeit seines Lebens hoch geachtetes Mitglied zahlreicher Freimaurervereinigungen und hat dort anscheinend großen politischen Einfluss im Sinne einer Liberalisierung und der Überwindung autokratischer Herrschaftssysteme ausgeübt.
Ab 1737 lebte er anscheinend als Gast des Schahs in Persien und wirkte auch hier als Ratgeber und Alchimist. Seine Reisen führten ihn bis nach China und Indien, wo er unter wechselnden Pseudonymen wirkte. Er war französischer Geheimdiplomat und beriet Elisabeth I bei deren Staatsstreich, in dessen Verlauf sie in St. Petersburg zur Zarin wurde. Auch hier hatte er weitreichenden Einfluss, vordergründig als persönlicher Arzt der Zarin, aber auch als politische graue Eminenz. Seine ärztlichen Fähigkeiten gingen so weit, dass er sie, aber auch Ludwig XV. vor Giftanschlägen schützen konnte. 1744 rettete er Ludwig anscheinend sogar das Leben.
In diesem Jahr wurde er auf einer diplomatischen Mission in England verhaftet. Hier lernte er Prinz Ferdinand von Lobkowitz kennen, der ihn für zwei Jahre nach Wien einlud. Er war hier Mittelpunkt diverser esoterischer Kreise, in denen er wie auf dem politischen Parkett "witzig und hochbegabt" brillierte.
1747 verhandelte er im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia erfolgreich mit dem Herzog von Cumberland, um die kriegerischen Auseinandersetzungen zu beenden. Weitere Friedensverhandlungen folgten. 1749 wurde er Groß-Hospitalit des Malteser-Ordens. Nach weiteren Missionen und einer erneuten Zeit als populärer Alchimist am Hofe Ludwigs XV. nahm er Kontakt zu König Friedrich II von Preußen auf, der ihn wohl einlud, aber auf Distanz hielt.
1760 verhandelte er als Unterhändler im Krieg zwischen England und Frankreich. Aufgrund einer massiven Intrige durch Herzog de Choiseul wurde er fast verhaftet. Aber er konnte sich durch Flucht nach England entziehen. In London brillierte er als Violinvirtuose. Seine zahllosen Ortswechsel und Pseudonyme erschweren aber eindeutige Zuordnungen. Er soll ab 1762 beim Sturz des russischen Zaren Peter III mitgewirkt haben und wurde daraufhin von Katharina der Großen zum General ernannt.
Ab 1765 reiste er wahrscheinlich erneut nach Indien und durch den fernen Osten. Nach seiner Rückkehr 1773 beschäftigte er sich bis an sein Lebensende mit der Veredelung von Textilien und mit Farbstoffen.
In seiner letzten – und einflussreichsten - französischen Zeit warnte er ab 1774 den Hof, insbesondere Ludwig XVI. und Marie Antoinette vor der kommenden "Verschwörung", die ihnen den Tod bringen würde. Der König ignorierte seine Warnungen, was Marie Antoinette vor ihrem Tod 1788 in ihren Tagebüchern sehr bereute. Unter dem Anagramm Tzarogy (nach "Rakoczy") lebte er am Hof von Ansbach in Deutschland, pflegte seine politischen, aber auch freimaurerischen, rosenkreuzerischen und alchemistischen Kontakte. Er experimentierte von nun an, je mehr er sich aus der aktiven Diplomatie zurückzog, in immer intensiverer Weise, unterstützt von guten Freunden wie dem Landgrafen Karl von Hessen-Kassel. In dessen Haus verstarb er am 27. 2. 1784 in Eckernförde.
Rätsel gab er allerdings selbst bei seinem Ableben auf, da der Leichnam bei einer baldigen Obduktion nicht mehr auffindbar war - und da er angeblich ein Jahr später bei verschiedenen Gelegenheiten wieder gesehen worden sein soll.
Zeugnisse von Zeitgenossen
Voltaire meinte in einem Brief an Friedrich den Großen 1760: "Man sagt, dass das Geheimnis des Friedens nur von einem gewissen Herrn von Saint-Germain gekannt werde, welcher ehemals mit den Vätern des Konzils soupiert habe. Er ist ein Mann, der alles weiß und niemals stirbt". Friedrich antwortete, Germain sei für ihn "ein zweites Phänomen und ein Mann, welchen man nicht enträtseln könne".
Der österreichische Gesandte in Belgien, Graf Philipp Cobenzl schrieb in einem Brief "Saint-Germain ist Dichter, Musiker, Schriftsteller, Arzt, Physiker, Chemiker, Mechaniker und ein gründlicher Kenner der Materie. Kurz, er hat eine universelle Bildung, wie ich sie noch bei keinem Menschen fand."
Vielleicht deutet Cobenzl in der Formulierung –übrigens an einen erklärten Gegner Saint-Germains gerichtet- dessen geistigen Hintergrund in der Formulierung "gründlicher Kenner der Materie" an, der durch die alchimistischen Versuche hindurch deutlich an die eigentlich rosenkreuzerischen Impulse anknüpft. Bei anderer Gelegenheit sagte Cobenzl: "Er ist der außergewöhnlichste Mensch, den ich jemals gesehen habe".
Geschickt lässt Giacomo Casanova - sicherlich kein Freund von Saint-Germain, eher ein politischer Gegenspieler - in seinen Memoiren auch seine klaren Vorbehalte anklingen, wenn er schreibt: "Saint-Germain gab sich für einen Wundermann aus; er wollte verblüffen, und oft gelang ihm dies. Er sprach in bestimmten Ton, aber so sorgfältig, dass er nicht missfiel. Er war gelehrt, sprach tadellos die meisten Sprachen; er war ein großer Musiker und Chemiker; hatte ein angenehmes Gesicht und wusste alle Frauen gefügig zu machen, denn er gab ihnen Schminken und Schönheitsmittel und erweckte in ihnen die Hoffnung, nicht etwa sie jünger zu machen –denn so bescheiden war er doch, dass er gestand, dies wäre ihm unmöglich -, wohl aber sie in dem Zustande zu erhalten, in dem er sie vorfand, und zwar mittels eines Wassers, das ihn nach seiner Behauptung viel Geld kostete, trotzdem aber von ihm verschenkt wurde..".
Montesquieu schätzte Saint-Germain dagegen sehr. Er schrieb an ihn 1753: "Ihre Titel nehmen derart zu, dass ich sie nicht mehr behalten kann: Graf von Clavieres, Domherr von Dornik, Ritter eines kaiserlichen Kreuzes, Mitglied der Academie des Inscritions, derjenigen von London, von Berlin und so vielen andren bis zu derjenigen von Bordeaux. Sie verdienen wohl all die Ehre und noch recht viele andre dazu".
Karl von Hessen schrieb: "Was Saint-Germain betrifft, war dieser der größte Geist, den ich jemals kannte". Die Pompadour war zunächst wohl eher an den fabulösen Wassern interessiert, die die Schönheit erhalten sollten. Über den "Jungbrunnen", eine arg materialistische Ver-deutung der Kräfte Saint-Germains, von denen die Rede am Hofe ging, sie ließen ihn niemals altern, hat er sich verschiedentlich lustig gemacht. Sie lernte aber offensichtlich auch seine politischen und menschlichen Fähigkeiten schätzen. Saint-Germain gehörte auch zu ihren persönlichen Beratern.
Die Gräfin von Genlis beschrieb Saint-Germain in ihren Memoiren folgendermaßen: "Er sah damals höchstens wie ein Fünfundvierziger aus, aber nach dem Zeugnis von Leuten, die ihn 30 bis 35 Jahre vorher gesehen, war er sicherlich weit älter. Er war nicht ganz mittelgroß, gut gewachsen und hatte einen sehr leichten Gang. Seine Haare waren schwarz, seine Haut stark gebräunt, sein Gesichtsausdruck sehr geistreich, seine Züge ziemlich regelmäßig. Er sprach fließend Französisch, ohne eine Spur von Akzent, ebenso Englisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch".
Fallen, Intrigen und Doppelgänger
"Ich habe kein Alter"
(angeblich Graf von Saint-Germain)
Schon die Pompadour hat in einem - belauschten – Gespräch versucht, Saint-Germain eine Falle zu stellen, indem sie ihn nach dem Aussehen historischer Personen befragte. Sie wollte hinter Saint-Germains vorgebliches außergewöhnliches Alter kommen. Dieser schilderte ihr die befragten Personen bis in Details des Lebens am Hofe und charakterlicher Eigenheiten. "Wie es scheint, haben Sie das alles mit eigenen Augen gesehen", neckte sie ihn. Saint-Germain antwortete: "Madame, mein Gedächtnis ist stark und funktioniert immer noch gut". Nach einer Pause setzte er lächelnd hinzu: "Zudem habe ich die französische Geschichte eingehend studiert".
Auf diese Weise begegnete Saint-Germain oft den um ihn herum wogenden Gerüchten um den angeblichen "Wundermann". Er wich zunächst aber nicht schroff aus, sondern pflegte auch, zumindest in seinen jüngeren Jahren, diesen Nimbus. Erst als ihm die Pompadour mit dem missverstandenen "ewigen Leben" seiner Person zu nahe rückte, sprach er von dem "dummen Gerede der Leute". Dieser Nimbus, der reichlich Tratsch beinhaltete, der ihm am Hofe die Türen auch zunächst geöffnet hatte, wurde aber auch zu einer Waffe, die man erfolgreich gegen Saint-Germain in Form von Intrigen verwenden konnte. Und dieser gereichte Saint-Germain auch in der Historie zum Nachteil, denn eben diese Geschichtchen sind der Stoff, aus dem "Channeler", Theosophen und selbsternannte Okkultisten bis heute ihre Träume ziehen.
Zunächst traten in Saint-Germains Umkreis angebliche "Wundermänner" und Betrüger auf, die eben das Feld bearbeiteten und die Sehnsüchte bedienten, die niemals Saint-Germain Thema gewesen sind. Dazu gehört der von Saint-Germain scharf verurteilte Cagliostro, der später im Gefängnis endete.
Dann wurde das Gerücht gestreut, Saint-Germain habe persönlich mit Jesus, Caesar und Cleopatra Umgang gehabt und habe längst das Alter eines Methusalem erreicht. Saint-Germain selbst soll nur geäußert haben: "Ach, die Pariser Schafköpfe glauben, ich sei bereits fünfhundert Jahre alt, und ich bestärke sie in dieser Meinung, weil ich sehe, dass sie ihnen so viel Vergnügen macht". Dennoch dementierte er die diesbezüglichen Gerüchte aufs schärfste. Das nutzte aber nichts.
Bereits Casanova wurde nicht müde, Saint-Germain als einen gewieften Hochstapler darzustellen, auch wenn er ihm vordergründig stets einen gewissen Respekt zollte. Casanova war eben ein geschickter Denunziant.
Saint-Germains Ruf wurde aber erst durch einen Gegner und geschickten Intriganten an Ludwigs XV. Hof untergraben, dem Herzog von Choiseul, der für die Außenpolitik zuständig war. Dieser hintertrieb nicht nur die diplomatischen Bemühungen Saint-Germains, er installierte auch in dessen Abwesenheit –Saint-Germain musste nach einer Intrige von Choiseuls nach England fliehen – einen Doppelgänger. Dieser war der Schauspieler und Spion Milord Gower, der Saint-Germain außerordentlich ähnlich sah. Die in Kleidung, Schminke und Aussehen exakte Kopie Saint-Germains trat in der Folgezeit (um 1759) in der Öffentlichkeit auf und erzählte genau die dreisten Lügengeschichten, die die Gerüchte um Saint-Germain scheinbar bestätigten: Er habe Jesus und Pontius Pilatus gekannt, sei Tausende von Jahren alt, sei schon eine Frau gewesen, usw. Die grotesken Prahlereien dieses Hanswurst haben dann Nahrung dazu gegeben, Saint-Germain entweder für einen Betrüger zu halten oder aber für einen esoterischen Supermann.
Diese den Ruf schädigende Inszenierung hatte deshalb so großen Erfolg, da Saint-Germain nicht nur nie seinen wahren Namen offenbart hat, sondern selbst, auf diplomatischen Missionen, auf Reisen, aber wohl auch zum Vergnügen, seine Identität gewechselt hat. Oft waren seine Namen ja im Grunde Sinnbilder –verborgene Hinweise. So deutet "Saint-Germain" vielleicht auf seine inspirierende Quelle des deutschen Volksgeistes, der Name "Welldone" auf seine politische Intention, "Bailli de Solar" auf den Sonnengeist selbst.
Saint-Germains Lebensart und Vermächtnis
Mit zu den Gerüchten um Saint-Germains Person hat auch beigetragen, dass man ihn niemals essen sah. Casanova machte daraus wieder ein Mysterium, wenn er schreibt, Saint-Germain habe ihm mitgeteilt, seine Nahrung sei "für keinen Menschen geeignet". Tatsächlich lebte Saint-Germain in strenger Diät, nahm nur eine kleine Mahlzeit am Tage ein und trank vorrangig von ihm selbst zusammengestellte Kräutertees, die er bei Gelegenheit Anderen wärmstens empfahl. Seine finanziellen Verhältnisse waren meist ausgezeichnet für die damaligen Verhältnisse, obwohl er sich niemals an seinen chemischen und alchemistischen Produkten bereichert hat, geschweige denn an angeblichen "Wundermitteln". Erst im hohen Alter begründete er in Venedig eine florierende Textilfabrik. Seine persönlichen Bedürfnisse wurden stets als ausgesprochen bescheiden geschildert.
Es gibt wenige Schriftstücke von ihm, die er hinterlassen hat, darunter das folgende:
"Den wachsamen Blick auf die Natur gerichtet,
erkannte ich Wesen und Ende der Einheit.
Ich sah im Erze das goldene Licht,
ich erfasste den Stoff und entdeckte den Keim".
Zugeschrieben wird ihm die Bemerkung: "Ich habe viele Namen, ich habe diese Welt besucht vor der atlantischen Katastrophe, die ihr die Sintflut nennt. Ich lehrte Salomo die Weisheit, diskutierte mit Sokrates und besuchte Pythagoras. Ich habe kein Alter". Saint-Germain verweist mit diesen Worten offensichtlich auf seine geistige Entität und seine spirituelle Kompetenz. Nur eine materialistische Verballhornung kann aus solchen Worten schließen, er habe gemeint, als Person Tausende von Jahren alt zu sein.
In der Bibliothek von Troyes (Nr.2400 des Bibliothekkataloges) findet sich ein Schriftstück, das ebenfalls Saint-Germain zugeschrieben werden kann: "Die Geschwindigkeit, mit der wir durch den Raum jagen, lässt sich mit nichts anderem als sich selber vergleichen. In einem Augenblick hatte ich die Sicht auf die unten liegenden Ebenen vollkommen verloren. Die Erde erschien mir nur noch wie eine verschwommene Wolke. Man hatte mich zu riesiger Höhe emporgehoben. Eine ganze Weile zog ich durch den Wolken dahin. Ich sah Himmelskörper um mich herum drehen und Erdkugeln zu meinen Füßen versinken".
Schüler und Gegner
Saint-Germains Intentionen waren, wie aus seinen Aktivitäten ersichtlich wird, vielfältig. Seine Bewunderer wie seine Feinde kamen aus zahlreichen Lagern. Peter Krassa zitiert aus einem Brief von Voltaire an Saint-Germain –den Krassa allerdings wiederum auf wirre und spekulative Art interpretiert – in dem aber doch deutlich wird, dass Saint-Germain auch für Voltaire ein ganz außerordentlicher spiritueller Lehrer gewesen sein muss: "Ich beantworte Ihren Brief, Monsieur, den Sie mir im April geschrieben haben, worin Sie schreckliche Geheimnisse offenbaren, einschließlich des schlimmsten aller Geheimnisse, das es für einen alten Mann, wie mich, geben kann – die Stunde des Todes. Danke, Germain, Ihre lange Reise durch die Zeit wird von meiner Freundschaft für Sie erhellt werden, bis zum Moment, wenn sich ihre Offenbarungen um die Mitte des 20. Jahrhunderts erfüllen werden. Die sprechenden Bilder sind ein Geschenk für die mir noch verbleibende Zeit, darüber hinaus könnte doch Euer wunderbares mechanisches Fluggerät Euch zu mir zurückführen. Adieu, mein Freund. Voltaire, Edelmann des Königs."
Innerhalb der Freimaurerschaft muss Saint-Germain aber nicht nur als großer und geachteter Lehrer gewirkt haben, sondern auch in dem Sinne, dass sich die "mitgliedstarken Geheimbünde" wie die Templer und die Freimaurergruppierungen vereinheitlichten und von nun an zusammenwirkten. Die "neuen Ideen", von denen Irene Tetzlaff spricht, die er einbrachte, bezogen sich wohl auch auf die Vorbereitung auf neue politische und staatliche Strukturen im Sinne einer Liberalisierung. Europa im Sinne einer liberalen Mitte zu einen und zu befrieden und moderne gesellschaftliche Strukturen vorzubereiten, was er mit seinem letzten französischen Engagement mit aller Kraft versuchte, scheiterte am Starrsinn des Königshofs. Dieser wurde in der zunehmend chaotisierten französischen Revolution in Stücke gesprengt.
Lobkowitz
Das Scheitern der französischen Revolution im blanken Terror bereitete aber den Boden für einen neuen reaktionären Usurpatoren, Napoleon. Peter Tradowsky schreibt dazu: "Das Wirken eines bedeutenden Menschen für eine größere Menschengruppe hängt nicht nur von diesem, sondern auch davon ab, was ihm aus dem Umkreis entgegengebracht wird. Besonders bei einer spirituellen Mission (...) ist das von entscheidender Bedeutung. (...) So hatte der Graf von Saint-Germain alles daran gesetzt, Ludwig XVI. Anregungen zu vermitteln, die die notwendige Umwandlung der sozialen Verhältnisse in gesunder Weise herbeiführen konnten. Dies Wirken des Grafen von Saint-Germain führte aber tragischerweise nicht zu einem geschichtswirksamen Einschlag. Die Französische Revolution mit ihren Idealen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ließ diese tieferen Zukunftskräfte nur chaotisch zum Vorschein kommen. Unverstanden gewannen sie nicht die Kraft, gestaltend in die soziale Wirklichkeit einzugreifen. So trat schließlich konsequenterweise das Wirken Napoleons an die Stelle dieser Impulse"
Die spirituellen Impulse Saint-Germains
Der rosenkreuzerische Impuls Saint-Germains wurde bereits – nicht nur im Sinne einer Mitgliedschaft in einer freimaurerischen Rosenkreuzervereinigung und im Wirken als deren Lehrer - , sondern auch in seinem spirituellen alchemistischen Impuls deutlich. Von vielen Seiten wird bezeugt, in welchem Maße Saint-Germain geistig und wissenschaftlich über jeden Zweifel erhaben war. Besonders seine Kenntnisse in Chemie haben immer wieder Bewunderung hervorgerufen. In seinen alchemistischen Bemühungen arbeitete er an einer Durchgeistung der Natur und gleichzeitig an einem spirituellen Übungsweg.
In welchem Sinne dies gemeint sein kann, schildert Rudolf Steiner: "Der mittelalterliche Rosenkreuzer nahm selber in seinem Laboratorium diese Prozesse vor, und dann ergab sich der Experimentierende der Betrachtung dieser Bildungen von Salz, der Auflösungen und der Verbrennungen, bei denen er sich stets tief religiösen Empfindungen hingab, und er fühlte den Zusammenhang mit allen Kräften im Makrokosmos. Diese Seelenvorgänge reifen bei ihm hervor: erstens Göttergedanken, zweitens Götterliebe, drittens Götteropferdienst. Und dann entdeckte dieser mittelalterliche Rosenkreuzer, dass, wenn er einen Salzbildungsprozess vornahm, in ihm selber solche reinen, läuternden Gedanken aufstiegen. Bei einem Auflösungsprozess fühlte er sich angeregt zur Liebe, wurde er von der göttlichen Liebe durchdrungen, im Verbrennungsprozess fühlte er sich entfacht zum Opferdienst, dazu gedrängt, sich auf dem Altar der Welt zu opfern. Das war es, was der Experimentierende erlebte. (...) Und die Folge war, dass derjenige, der so etwas durchgemacht hatte, der ein solches Experiment wirklich erlebte, von göttlicher Liebe ganz durchdrungen wurde. Also ein von Reinheit, Liebe und Opferwille durchdrungener Mensch kam dabei heraus, und durch diesen Opferdienst bereiteten die mittelalterlichen Theosophen ein gewisses Hellsehen vor".
Offensichtlich stellten diese spirituellen "Experimente" und Schulungen, wie sie Graf von Saint-Germain auch mit vielen Gästen durchführte - auch am französischen Hof in Anwesenheit des Königs - ein "offenes Geheimnis" dar. Denn die, die von der eigenen Gier befangen waren, konnten zum inneren Kern des Tuns nicht innerlich durchdringen. Sie hofften nur auf die Herstellung künstlicher Diamanten, Perlen oder anderer Pretiosen. Immer wieder wurde kolportiert, der Graf habe das Geheimnis gelüftet, Blei in Gold zu verwandeln. Für andere aber, wie etwa den tiefsinnigen Prinzen Ferdinand von Lobkowitz, der ab 1745 Premierminister der österreichisch-ungarischen Monarchie war, stellten diese Versuche wahrscheinlich Wege zur inneren Reife in dem von Rudolf Steiner geschilderten Sinne dar.
Der karmische Hintergrund des Grafen von Saint-Germain
Aus den Umständen des Lebens von Saint-Germain, seinen Äußerungen, seiner unerschöpflichen und umfassenden Wirkenskraft und seiner - in Sinne der Alchemie – spirituellen Lehrerschaft gegenüber Einzelnen, aber auch großen Teilen der damaligen Freimaurer wird deutlich, dass er eine ganz außerordentliche Persönlichkeit gewesen sein muss, ein "Eingeweihter", der in ganz exoterischer Weise wirkte – auch um konkret politische Anstöße zu geben. Rudolf Steiner geht hier aber sehr viel weiter, indem er konkret sagt: "Der Graf von Saint-Germain ist im achtzehnten Jahrhundert die exoterische Wiederverkörperung von Christian Rosenkreutz gewesen". Rudolf Steiner erklärt und bestätigt dabei auch die Vermutung, verschiedene Doppelgänger müssten dabei – wie wir wissen, in förderlicher wie in gegnerischer Absicht – am Werk gewesen sein, denn anders ließen sich biografische Widersprüche überhaupt nicht aufklären: "Nur wurde dieser Name auch andern Personen beigelegt, so dass nicht alles, was in der äußeren Welt da oder dort über den Grafen von Saint-Germain gesagt wird, auch für den wirklichen Christian Rosenkreutz gelten kann". Übrigens sagt Rudolf Steiner in diesem Zusammenhang auch, 1911, "heute ist Christian Rosenkreutz wiederverkörpert".
Ein weiteres Rätsel ergibt sich, wenn man immer wieder von Auftritten und Erklärungen des Grafen von Saint-Germain hört und liest, die dieser erst nach seinem Ableben getan haben kann. So ist er 1784 und 1785 angeblich unter dem Namen Chef de Bien in Paris bei der Vorbereitung und Durchführung eines Freimaurerkongresses gesehen worden. Eine viel zitierte Äußerung von ihm stammt aus dem Jahr 1790 (in Wien), wobei er gesagt haben soll: "Ich werde gegen Ende des Jahrhunderts aus Europa verschwinden und mich in die Regionen des Himalaja begeben. Ich werde mich ausruhen, ich muss ruhen. Man wird mich in 85 Jahren Tag für Tag sehen"
Man muss sehen, in wie tiefem und ergriffenem Sinne Rudolf Steiner in diesen Tagen von Christian Rosenkreutz spricht, wenn er etwa sagt, dass man sich bewusst werden müsse, dass "der Geist des Christian Rosenkreutz fort und fort besteht. Und je mehr wir uns diesem großen Geist nähern, desto mehr Kraft wird uns zukommen". Er stellt auch vielleicht die angebliche Äußerung des Grafen von Saint-Germain in anderen Zusammenhang, wenn er sagt, dass bei den Rosenkreuzern festgesetzt war, "dass alle Entdeckungen, die sie machten, hundert Jahre lang als Geheimnis bei den Rosenkreuzern bleiben müssten und dass erst dann, nach hundert Jahren, diese Rosenkreuzer- Offenbarungen der Welt gebracht werden dürften. Erst nachdem hundert Jahre darüber gearbeitet worden war, durfte in entsprechender Weise darüber gesprochen werden". Allerdings bestätigt er im Vortrag vom 27. September 1911 auch, dass "in jedem Jahrhundert die rosenkreuzerische Inspiration so gegeben wird, dass niemals der Träger der Inspiration bezeichnet wurde" – aus Gründen, keinen Autoritätsglauben heranzuzüchten, aber auch spirituellen Gegnern keinen Angriffspunkt ihrer "okkulten astralen Attacken" zu bieten.
Zum Buch von Peter Krassa
Dieses Buch stellt einen Wust von Spekulationen und Mutmaßungen dar, wobei Peter Krassa den umgehenden New-Age-Fantasien noch seine eigenen, durch nichts als durch Assoziation und Suggestion begründeten Theorien noch beimengt. Das macht die Mischung nicht bekömmlicher. Seine Bekanntschaft mit Herrn von Däniken, aber auch die spekulative Verkaufsabsicht trugen wohl ihren Teil dazu bei, dass Peter Krassa einerseits die üblen Machenschaften intriganter Kräfte am französischen Hofe aufdeckt, vieles klarstellt, aber andererseits den verrücktesten Äußerungen eine Seite später hinterjagt, weil sie so sensationell klingen. Das ist bedauerlich, denn das Leben des Grafen von Saint-Germain ist sensationell genug. Man muss sich durch das Buch eine Schneise schlagen, aber es bietet auch genügend Material, das neu ist, gut recherchiert erscheint und einen Grundton wiedergibt, der mit diesem großen Mann Saint-Germain kongruent geht.
Peter Krassas Äußerungen muss man manchmal einfach übersetzen, weil er im Sinne treuer Ufologen alle Phänomene platt materialistisch interpretiert. So kommt er zu einer grotesken Vorstellung, der Graf sei ein "Zeitreisender" gewesen. Dennoch bleibt bei der Fülle von geschichtlichen Daten aufgrund der häufigen Identitätswechsel des Grafen selbst bei nachgewiesenen Ereignissen der Zweifel, ob er selbst dabei war oder ob es sich dabei um einen der Doppelgänger gehandelt haben könnte.
Lebt unter uns ein Zeitreisender?
Raumflug der Unmöglichkeit
Seltsame Wiedergaben in einem Manuskript aus dem 18. Jahrhundert. Beschrieb der rätselhafte Graf von Saint-Germain ein vergangenes oder ein erst kommendes Erlebnis?
Ein Bericht von Peter Krassa
"Die Geschwindigkeit, mit der wir durch den Raum jagten, läßt sich mit nichts anderem als sich selber vergleichen. In einem Augenblick hatte ich die Sicht auf die unten liegenden Ebenen vollkommen verloren. Die Erde erschien mir nur noch wie eine verschwommene Wolke. Man hatte mich zu rieseiger Höhe emporgehoben. Eine ganze Weile zog ich durch den Weltraum dahin. Ich sah Himmelskörper um mich herum sich drehen und Erdkugeln zu meinen Füßen versinken."
Wer da meint, den De-facto-Erlebnisbericht eines Astronauten im bevorstehenden Jahrtausend vor sich zu haben, oder wenigstens eine realistisch erzählte Science-fiction-Story eines zeitgemäßen Schriftstellers - der irrt sich gewaltig. Diese Sätze wurden bereits vor zwei Jahrhunderten niedergeschrieben. Von einem Mann, dessen Vorstellungskraft eigentlich derartige Eindrücke, wie die zuvor geschilderten, niemanls hätte so realistisch wiedergeben dürfen. Was wußte man denn schon damals, im 18. Jahrhundert, von der Möglichkeit, sich mit Hilfe von Raumschiffen im Weltall vorwärts zu bewegen? Man war hierfür längst noch nicht reif, und selbst das wissenschaftliche Establishment zeigte sich in jenen Jahrzehnten außerstande, die Nase über den Tellerrand von "Mutter Erde" zu erheben. flüge zum Mond oder gar zu anderen Planten wurden nicht einmal in kühnsten Träumen in Betracht gezogen, und wären - so irgend jemand derartige Gedanken geäußert hätte - wahrscheinlich als Phantasterei, wenn nicht sogar als Blasphemie, verworfen worden.
Und doch gab es schon damals eine höchst sonderbare Persönlichkeit, die von sich behauptete adeliger Herkunft zu sein und unter dem Namen Graf von Saint-Germain vor allem in aristokratischen Kreisen gewaltiges Aufsehen erregte. Jene zuvor zitierten Zeilen, die zweifellos aus der Feder des Betreffenden stammen, sind uns dankenswerterweise (im Gegensatz zu anderem Schiftgut dieses Verfassers) erhalten geblieben und können jederzeit nachgeprüft werden. Dazu bedarf es bloß eines Besuches der Bibliothek in der französischen Stadt Troyes. Unter der ausgewiesenen Nummer 2400 (nachzublättern im Bibliothekskatalog) findet sich das von Graf Saint-Germain handschriftlich abgefaßte Manuskript "La Trés Saint Trinosophie" (zu deutsch: "Die heiligste dreifaltige Weisheit"), und darin jene rätselhafte Wiedergabe, die uns heute so sehr an einen Erlebnisbericht erinnert.
Erlebnisbericht? Wann und wo sollte der Autor dieses Textes derartiges widerfahren sein? Dazu hätte er in einer Zeitphase leben müssen, die wir mordernen Menschen selbst heute noch als fernere Zukunft ansehen.
Gut, den Mond haben unsere Raumfahrer inzwischen erreicht und betreten, aber schon bis zum nächsten Marsflug werden wohl noch einige Jährchen vergehen. Und bis es einmal so weit sein wird, daß uns von der Erde gestartete Astronauten einen Raumflug zu schildern vermögen, der sich bis an die Grenzen unseres Sonnensystem - und darüber hinaus - zu führen vermag; ein Raumflug, der es ihnen aus eigener Ansicht ermöglichen wird, "Himmelskörper...sich drehen und Erdkugeln...versinken" zu sehen - diesesn Triumph wird diese Generation (von Wissenschaftlern) gewiß nicht mehr miterleben.
Im Falle des Grafen von Saint-Germain müßte man demnach zu der Annahme kommen, er selbst sei in dieser zukünftige Ära gewesen, und habe einem solchen Raumflug persönlich beigewohnt. Völliger Unsinn? Ein Ding der Unmöglichkeit?
Unter normalen Umständen: zweifellos. Aber bei Saint-Germain ist alles anders. Denn ihm wurden Fähigkeiten zugemutet (und werden es in gewissen Kreisen immer noch), die außderhalb der normalen Bandbreite zu liegen scheinen. Okkultisten und Esoteriker sehen in dem angeblichen Grafen einen "Wundermann". Wie schon vor zwei Jahrhunderten nennt man ihn auch heute noch "Meister von Europa". Auch als "Sphinx" wurde und wird er gerne bezeichnet, war es doch Saint-Germain gegeben, um seine Person, seine Herkunft, Geburt und sogra Ableben ein großes Geheimnis zu machen. Was wir über ihn wissen (oder wenigstens zu wissen glauben), ist die Erkenntnis, daß jener "Meister" seinen gräfischen Titel sowie die Identität der Familienmitgliedschaft der Saint-Germain lediglich angenommen, doch niemals wirklich erworben hat.
Natürlich gab es im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte die unterschiedlichsten Bemühungen, das Dunkel um die Person des Grafen von Saint-Germain zu lichten. Aber alle derartigen Versuche erwiesen sich letztendlich als untauglich. So vermutete etwa der berühmte Okkultist Eliphas Lévi (1810-1875), Saint-Germain wäre der uneheliche Sohn eines adelligen Rosenkreuzers gewesen und gegen Ende des 17. Jahrhunderts im böhmischen Leitmeritz geboren worden. Auch die Annahme, bei dem sogenannten Grafen habe es sich um den Abkömmling eine Steuereintreibers in San Germano gehandelt - eine Ortschaft in Portugal, die später jenen Hochstabler dazu animiert hätte, daraus seine Familienherkunft von den "Saint-Germains" zu konstuieren.